Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
sie mir den Kopf hielt, damit ich trinken konnte.
Ganz wie vorhergesagt, fand sich Leben in Laurussias alter Hauptstadt, Menschen, die ich hätte meiden sollen. Doch nun hatten mir gerade die, denen ich so gerne aus dem Weg gegangen wäre, allem Anschein nach das Leben gerettet. Ich bekam das Puzzlespiel einfach nicht zusammen. Also blieb ich liegen, abwartend, jede Minute der kostbaren Ruhe nutzend, die mein Körper benötigte, um neue Energien aufzubauen.
Einmal vernahm ich deutlich Schritte unter dem halb geöffneten Fenster, ein Knirschen im Staub, als lugte jemand von draußen herein. Irgendwann später öffnete sich die Türe. Gelblicher Lichtschein drang in den inzwischen nachtdunklen Raum und fiel direkt auf mein Gesicht. Ich blinzelte. Die plötzliche Helligkeit ließ die Augen tränen. Ein hochgewachsener Mann trat ein, einer der Wachtposten, wie ich annahm, dessen Gesicht im Schatten lag. Er trug eine Kluft aus dunklem Material, dessen Geruch mir unschwer vermittelte, dass es sich um Mamora handelte. Ein weiterer Posten verweilte auf der Schwelle. Ich stellte mich schlafend, meine Lider waren aber nicht ganz geschlossen. So bekam ich sehr wohl mit, was um mich herum geschah. Der Wächter in der dunklen Kluft kam neben der Bettstatt zum Stehen und berührte mich sanft aber mit Nachdruck an der Schulter.
Stöhnend mimte ich einen eben Erwachenden. Meine halb geöffneten Augen jedoch fixierten die dunkle Gestalt aufs Schärfste. Was ich erwartete, wusste ich selbst nicht. Ob von ihm Gefahr ausging? Das Misstrauen gegenüber allem, was sich um mich herum bewegte, blieb. Noch ein drittes Mal rüttelte mich der Wachtposten. Ich schlug die Augen gänzlich auf.
„Mitkommen!“ Der Befehl, in meiner Sprache gesprochen, überraschte wenig. Ich war es seit ich denken konnte gewohnt, zu verstehen, was man zu mir sagte, von der Existenz anderer Sprachen wusste ich lange nichts. Zögernd spielte ich die Rolle des Leidenden weiter und erhob mich betont langsam. Die Stirn ausgiebig reibend fragte ich mein Gegenüber ohne es anzusehen: „Wo bin ich?“
Keine Antwort. Geduldig wartete er, bis ich mich endlich in Bewegung setzte.
„Wohin geht es?“ Auch die zweite Frage blieb unbeantwortet im Raum stehen. Einzig und allein seine Gesten blieben eindeutig. Er zeigte wiederholt zur Tür, die hinaus in einen mir unbekannten hellen Raum führte.
Ich passierte den Wachtposten unter der Türe und blickte einen Augenblick in dessen hell erleuchtetes Gesicht. Ein junger Mann, nicht älter als ich. Er bedachte mich einen Moment mit interessiertem, fast neugierigem Ausdruck in den Augen, bevor er eine feindlich anmutende, distanzierte Maske aufsetzte und wieder durch mich hindurch sah.
Ich stapfte über die Schwelle und blieb unschlüssig in einer Art Flur stehen. Zu meiner Rechten eine schwere Türe, die wohl ins Freie führte. Überzeugt, in diese Richtung zu müssen, ging ich los, spürte jedoch sofort eine kräftig zupackende Hand, die sich in meine Schulter krallte und mühelos wie ein Kind nach links dirigierte. Es ging einige Treppenstufen nach unten in ein Kellergewölbe. Funken sprühende Fackeln wiesen den Weg. Die Luft roch nach verbranntem Harz.
Ich schritt durch einen langen Gang, den Aufpasser dicht hinter mir wissend. Nach genau einhunderteinundsiebzig Schritten – ich hatte peinlich genau mitgezählt – stand ich vor einer aus dem Felsgestein gehauenen Treppe, die nach oben führte. Von dort drangen gedämpfte Stimmen herunter. Instinktiv verharrte ich einen Augenblick und lauschte. Kein Zweifel. Eine der Stimmen gehörte Krister. Die andere, eine weibliche, war mir unbekannt. Wo auch immer die Stufen hinführten befand sich zumindest einer meiner beiden Gefährten. Ich vertraute darauf, den anderen auch dort anzutreffen.
Wir nahmen Platz. Avalea wies uns keinen Stuhl zu, wir durften selbst entscheiden. Ich wählte die Sitzgelegenheit neben ihr und überließ meinen Freunden die gegenüberliegende Seite. Daraufhin öffnete sich eine mir bis dahin verborgen gebliebene Tür neben dem Haupteingang und das junge Mädchen, das vor wenigen Stunden den Flakon mit dem Wunderheilmittel Ystan gebracht hatte, trat ein (später erfuhr ich ihren Namen: Gali). Sie trug das gleiche leuchtende Leinengewand, das meinem Geschmack nach für eine Bedienstete mehr als nur eine Idee zu kurz geraten war. Avalea wandte sich ihr zu und äußerte einige hart klingende Worte in einer gutturalen Sprache. Das Mädchen
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