Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Ashram schon längst nicht mehr an Bord. Letztlich beugte er sich meinem erbitterten Widerstand, unseren Fährmann der See zu übergeben. Ich sah keinen Grund, mich auf das Niveau von Meuchlern zu begeben. Von Ashram ging nicht die geringste Gefahr mehr aus – ob dies jemals der Fall gewesen war, bezweifelte ich zudem.
„Das wollte ich nicht“, jammerte er tränenerstickt. „Das müsst ihr mir glauben, bitte! Arian hatte versprochen, euch die Perlen erst am Taorsund abzunehmen. Ich wusste nicht, welch finstere Pläne er im Schilde führte. Bitte, das müsst ihr mir glauben! Wenn ich es könnte, würde ich alles ungeschehen machen. Ich bin kein schlechter Mensch, ich habe das alles nicht gewollt.“
Irgendwie glaubte ich es ihm tatsächlich. Auf welche Weise es Arian gelungen war, ihn auf seine Seite zu ziehen, interessierte mich allerdings herzlich wenig.
„Das ist alles nicht mehr von Bedeutung“, ließ ich ihn wissen. „Sieh, wohin es geführt hat. Dein sauberer Kumpel ist tot. Daran bist auch du nicht ganz unschuldig. Was du getan hast, ist unverzeihlich.“
„Ja, das ist es“, nickte der ganz und gar unglückliche Junge, dessen Gründe, meinen strafenden Blick weiterhin zu meiden, nun auf der Hand lagen. Ein winselnder Hund konnte nicht kläglicher dreinschauen. „Was habt ihr jetzt mit mir vor?“
„Wart’s ab! Und jetzt ist Ruhe, hör mit deinem Geschluchze auf! Ich will keinen Ton mehr von dir hören, hast du mich verstanden?“
Er hatte. Für den Rest des Tages gab Ashram keinen Laut mehr von sich.
Wir entschieden, die Nacht keinesfalls auf See verbringen zu wollen. Schon allein das Wissen um die Existenz dermaßen riesiger Ichthyonen in diesen Breiten zwang uns dazu. Nicht auszudenken, was ein Angriff bei Dunkelheit bedeuten konnte! Tatsächlich kreuzten im Laufe des Tages zwei weitere furchteinflößende Exemplare unseren Weg, die sich jedoch bedeutend friedlicher verhielten. Nur einer schenkte dem in seinen Augen wohl interessanten hölzernen Gefährt ein gewisses Maß an Interesse und berührte es beinahe spielerisch mit dem riesigen Maul. Dabei aber blieb es.
Im Verlauf des Nachmittags näherten wir uns wieder der Küste. Hohe Gipfel türmten sich im Hinterland auf. Es musste sich um die Bergkette südlich des Io handeln, die zwar in der Karte eingezeichnet waren, aber keinen Namen trugen. Avalea bestätigte meine Vermutungen. Allerdings kannte auch sie keine Bezeichnung dafür. Daher taufte ich sie die „Namenlosen Berge“. Luke meinte, sie könnten keinen schöneren Namen erhalten haben.
Kristers Bruder hatte sich schnell von seinem Schock erholt und scherzte schon wieder. Er hegte überdies keinen Groll gegen Ashram. Jedenfalls vertraute er mir dies nach dem Anlegen beim Brennholzsuchen an. Ich hütete mich davor, ihn dafür zu verurteilen, ging es mir doch ähnlich. Lediglich Krister fuhr weiterhin harten Kurs, auch wenn über Ashrams Freilassung bereits entschieden war. Bevor er die Fesseln unseres Gefangenen löste, durchsuchte er sein weniges Gepäck nach Waffen. Er führte nichts bei sich außer einem Messer, das sich eher zum Ausnehmen von Fischen als von Menschen eignete. Krister nahm es an sich.
Der befreite Ashram sah uns ungläubig an, während er seine schmerzenden Handgelenke rieb. Die zuckenden Flammen des Lagerfeuers verrieten tiefe Erleichterung. Damit hatte er wohl nicht mehr gerechnet. Große dunkle Augen wanderten ungläubig von einem zum anderen.
„Du bist jetzt frei, du kannst tun was du willst“, verkündete Krister. „Geh, wenn du magst. Es wäre allerdings sinnvoller für dich, wenn du bleibst bis wir den Taor erreichen. Danach werden wir kaum noch Verwendung für dein Boot haben, du kannst es dann wieder in Besitz nehmen und zurück nach Kelvin segeln. Einer muss sich ja um deine kranke Schwester kümmern.“ Der letzte Satz triefte geradezu vor unverhohlenem Spott.
„Aber du musst uns eines versprechen!“ fügte ich hinzu.
„Alles! Alles! Oh, wie ich mich schäme! Ihr seid so gut zu mir, das habe ich nicht verdient.“
„Da hast du in der Tat Recht. Du musst uns versprechen, nie wieder so etwas zu tun! Ich bin überzeugt, dass du im Grunde ein anständiger Kerl bist, keine Ahnung, wie du an so einen Schurken wie Arian geraten konntest. Nun ja, vielleicht ist dir das eine Lektion gewesen.“
„Ich verspreche es!“ Zum ersten Mal legte sich wieder ein Lächeln auf seine schmalen Lippen. Ein Stück unwiderstehlicher Jungenhaftigkeit kehrte
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