Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Uhleb und Ithra.
Zwei Optionen standen uns nun offen: dem Tares in südöstlicher Richtung zu folgen (und damit einen Umweg auf der Weiterreise zum Taorsee in Kauf zu nehmen) oder Uhleb querfeldein zu durchstreifen. Wir entschieden uns für letztere Variante, schon aufgrund der Zeitersparnis von geschätzten zwei Tagen. Damit jedoch gingen wir das Wagnis ein, uns von beiden Flüssen zu entfernen. Ein abschätzbares Risiko. Bis zum Ithragebirge, wo wir spätestens wieder auf Wasser stoßen mussten, lagen schätzungsweise zwei bis drei Tage. Unsere gut gefüllten Wasserbeutel sollten in der Lage sein, diese Zeit zu überbrücken. Eine erste Bewährungsprobe, wie ich fand. Immerhin würden wir entlang der Rima ungleich länger vom Taor abgeschnitten sein und mussten andere Wege finden, um die Versorgung mit Wasser zu sichern. Doch nun schon daran zu denken, war äußerst müßig. Jetzt galt es erst einmal ein Nachtlager einzurichten und ein Feuer zu entfachen. Über die Herausforderungen des kommenden Tages konnte ich mir noch beizeiten den Kopf zerbrechen.
Gemäß des Entschlusses vom Vorabend ließen wir den Tares im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und marschierten weiter entlang des Taor. Genau wie in der Karte eingezeichnet, vollführte der Fluss alsbald einen weit geschwungenen Bogen nach Norden. Nun hieß es für gewisse Zeit Abschied zu nehmen. Wenn alles glatt verlief, würden wir in einer guten Woche erneut auf den majestätischen Strom stoßen, um ihm für viele hundert Meilen bis zu seiner Quelle die Treue zu halten. Mit prall gefüllten Wasserbeuteln wagten wir den entscheidenden Schritt und kehrten ihm den Rücken. Mehrmals wandte ich mich um. Überraschend schnell verlor sich das blaue Band des mächtigen Stroms. Nur die ihm folgende üppige Vegetation verriet aus der Entfernung seinen Lauf. Die ungewohnte Stille erwies sich als gewöhnungsbedürftig.
Bald wandelte sich das Gelände. Hatte es sich die letzten Tage flach wie ein Pfannkuchen dargeboten, ging es jetzt spürbar bergan. Die zusätzliche Belastung plus die sengende Hitze trieben den Schweiß aus allen Poren. Dennoch weigerte ich mich, meinen Wasservorrat zu sehr zu strapazieren. Er musste die nächsten zwei bis drei Tage reichen.
„Wir nähern uns der Hochebene von Uhleb“, erklärte Avalea.
„Gibt es dort Wasser?“ erkundigte sich Krister.
Sie schüttelte den Kopf.
„Unwahrscheinlich. Das Hochland ist ein ausgesprochen wasserarmes Gebiet. Erst am Ithragebirge werden wir wieder auf Quellen treffen.“
„Das schaffen wir!“ Ich war und blieb zuversichtlich. Bis jetzt gab es keinen Grund, vom Gegenteil auszugehen. Wie sehr und wie sehr bald ich mich täuschen sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen.
Das Unglück ereilte uns am Vormittag des nächsten Tages. Wir hatten die Nacht in einer Senke verbracht, die uns wenigstens ein wenig vor dem außerordentlich kühlen Wind schützte, der des Nächtens über die Hochebene pfiff. Eingemummt in unsere Decken konnte er uns allerdings nicht viel anhaben. Pünktlich mit dem Sonnenaufgang flaute er ab, als hätte irgendjemand einen Schalter umgelegt. Und ebenso verlässlich kehrte die Hitze zurück. Welch außergewöhnliches Land!
Die Bodenbeschaffenheit änderte sich nun deutlich. Bisher waren wir auf festgebackenem Sandboden marschiert, der unter den Sohlen nicht einen Millimeter nachgab. Nun jedoch bröckelte das Gestein, und mehrfach hatte ich das eigenartige Gefühl, ein Stück weit in den Grund einzusinken. Ich maß dem allerdings wenig Bedeutung bei, ein Fehler, wie sich herausstellen sollte.
Es war blanker Zufall, dass wir in jenem schicksalshaften Moment keine geschlossene Gruppe bildeten. Krister, Luke und Avalea gingen voran und zur Abwechslung bildete ich das Schlusslicht. Zwischen meinen Gefährten und mir lagen fünfzehn, vielleicht zwanzig Meter, mehr nicht.
Alles was ich hörte war ein überraschter Aufschrei Avaleas gepaart mit alles überlagerndem Rauschen, als ginge urplötzlich heftiger Regenschauer nieder. Alarmiert nahm ich die Bewegung des Erdbodens direkt vor mir wahr, große Mengen Felsschutt waren in Bewegung geraten. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, weder von Krister noch von Luke, noch von Avalea irgendetwas zu sehen. Eben liefen sie noch vor mir her und von einer Sekunde auf die andere waren sie verschwunden, als hätte die Erde sie verschluckt.
Den fassungslosen Augen nicht trauend, rief ich mehrmals ihre Namen.
Keine
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