Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Sees.
Dann erlosch die Fackel. Dunkelrot glühte sie noch kurze Zeit nach, bevor alles in tiefstem Schwarz versank.
19 UHLEB
Der verhangene Himmel hatte bleigraue Tönung angenommen, kühler Wind wehte durch die Steppe. Der erste Wetterwechsel seit langem. Ohne die wärmenden Strahlen der Xyn dauerte es ein wenig, bis mein Körper wieder zu neuem Leben erwachte, und noch müde und träge streckte ich die klammen Glieder. Auch benötigte es etwas Zeit, um mir die Ereignisse des vergangenen Tages wieder ins Gedächtnis zu rufen. Wie tief ich geschlafen haben musste!
Der Weg zurück in die Realität nahm eine halbe Ewigkeit in Anspruch, als bahnte ich mir einen mühevollen Rückweg aus einer anderen Dimension. Umso lebhafter und eindrucksvoller stürzten die Bilder von gestern auf mich ein.
Ich stützte mich auf beide Ellenbogen und sandte meinen Blick auf Reisen. Wie verändert alles war, nur weil sich die Sonne hinter Wolken verbarg. Wie es wohl Krister, Luke und Avalea ergangen sein mochte? Der Gedanke an sie ließ mich frösteln, kehrte doch die Erinnerung spätestens jetzt mit voller Schärfe zurück. Sofort schwenkte mein Blick die Senke hinunter, zu der Stelle, an der sich gestern der Erdboden aufgetan und sie verschluckt hatte. Ich stand auf, legte die Decke ab und packte sie in den Rucksack. Mit dem Stab in der Rechten und Gepäck und Bogen auf dem Rücken näherte ich mich ein letztes Mal vorsichtig dem heimtückischen Spalt. Ich wollte unbedingt noch einen Blick hinunterwerfen, um sicher zu gehen, sie nicht zu früh aufgegeben zu haben. Womöglich waren sie bereits zurückgekehrt, hatte sich ihr Weg durch die Unterwelt als Sackgasse erwiesen.
Auf allen Vieren kroch ich an den Rand des Grabens und spähte hinab. Tiefste Dunkelheit gähnte mir entgegen. Ich lauschte zuerst, rief dann ihre Namen und lauschte wieder. Nichts. Nichts außer höhnisch zurückhallendem Echo. Erneut rief ich nach ihnen, horchte angestrengt und bekam doch keine Antwort. Beengende Traurigkeit machte sich im Innern breit. Ich wünschte nichts sehnlicher, als wieder mit meinen Freunden zu sprechen, mit ihnen zu lachen, einfach nur ihre Stimmen zu hören. Die Stille, die aus der Tiefe emporkam, widerte mich an. Dem Impuls widerstehend, die Enttäuschung aus mir herauszuschreien, robbte ich schließlich wieder zurück. Hier gab es nichts mehr zu tun.
In einiger Entfernung gewahrte ich die zerschlissenen Reste meines Hemdes auf dem blanken Erdboden liegen. Ich betrachtete sie mit merkwürdiger Ehrfurcht. Gestern noch hatte ein leibhaftiger Opreju diese Stofffetzen in seinen Pranken gehalten. Es sprach wenig dagegen, sie wieder an mich zu nehmen. Tragen würde sich das Hemd sicherlich nicht mehr lassen, aber vielleicht konnte das Material noch einmal nützlich werden.
Was nun zählte, war dafür zu sorgen, zu entsprechender Zeit am richtigen Ort, dem Mündungsgebiet von Sokwa und Taor, einzutreffen, ohne irgendwelchen herumlungernden Opreju in die knochigen Arme zu laufen. Was hatte Avalea dazu bemerkt? Sprach sie nicht von einer riesigen Sumpflandschaft dort, wo die beiden Flüsse sich vereinigten? Das konnte heiter werden. Vor Mooren – und die gab es in Avenor zur Genüge – hatte ich früh gesunde Abneigung entwickelt. Ich mied sie wo es nur ging. Sümpfe bedeuteten nur einen anderen Namen für das gleiche Unheil. Zu viele grausige Geschichten rankten sich um sie, welche mir schon in frühester Kindheit das Gruseln beigebracht hatten.
Auf ewig ist die Erzählung vom Untergang einer ganzen Armee in der Endphase des Großen Krieges in mein Gehirn eingebrannt. Bei dem Versuch, die vorrückenden Opreju in die Sümpfe an der Mündung des Sawyer River, südöstlich von Aotearoas einstmals größter Stadt Van Dien zu locken, gerieten die Verteidiger in einen Hinterhalt und wurden selbst Opfer ihres eigenen tückischen Plans.
Umzingelt vom vorstoßenden Gegner blieb ihnen nichts anderes übrig, als in aller Eile Verteidigungsstellungen mit den Sümpfen im Rücken aufzubauen. An Ausbruch aus der Umklammerung war nicht zu denken.
Die Schlacht begann unter denkbar ungünstigen Bedingungen für die eingeschlossenen Verteidiger, die den von drei Seiten heranrückenden Opreju nur kurzfristig etwas entgegenzusetzen wussten. Bald waren ihre schwachen Stellungen überrannt und heilloses Chaos setzte ein. In Panik flohen die geschlagenen Soldaten in den Sumpf, der sie schmatzend und schlürfend empfing. Der größte Teil der überlebenden
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