Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
dagegen an, drückte den Rücken gegen die feste Rinde des Baumes und erlaubte meinen Augen, sich zu schließen.
Kräftiger Wind war aufgekommen, als ich sie ruckartig wieder öffnete. Womöglich hatte mich das Knarzen und Ächzen der Äste geweckt, die sich der Kraft der Böen widersetzten. Aus den Augenwinkeln machte ich eine Bewegung am Boden aus, keine zwanzig Meter linkerhand von mir. Im Zeitlupentempo drehte ich den Kopf in jene Richtung und hätte vor Freude aufschreien mögen.
Nichts anderes als ein junger Moa stak durch das kniehohe Gras. Er war sehr jung, keinen Meter hoch, und trug noch sein adoleszentes, schmutzig-gelbes Federkleid. Sich der Gefahr nicht bewusst, die in Form meiner Person über ihm lauerte, scharrte er mit den bereits mächtigen Klauen am Boden umher, völlig beschäftigt mit der eigenen Nahrungssuche.
Als sein zwergenhafter Kopf zum wiederholten Male suchend zwischen den Gräsern verschwand, nahm ich Pfeil und Bogen in Anschlag. Diese Bewegung, ruckartig und hektisch, hätte jedes erfahrene Tier alarmiert, nicht jedoch den unbedarften Jungvogel. Damit war sein Schicksal besiegelt.
Trotz allem tat er mir leid. Ich bewundere Moas, es sind hochintelligente Lebewesen, die zwar nie ganz zahm werden, auch nicht wenn sie in Gefangenschaft aufwachsen, aber dennoch einen gewissen Grad an Zutraulichkeit entwickeln, der sie dem Status eines Haustieres sehr nahe bringt.
Ich beugte mich soweit nach vorne, wie es mir der Ast, auf dem ich saß, erlaubte, spannte die Sehne bis zum Zerreißen und zielte aus dieser ungünstigen Position auf die Brustmitte des Vogels. Das bis dahin ahnungslose Tier musste dann doch etwas bemerkt haben, vielleicht war es der sich drehende Wind, der meinen Geruch in seine Nähe trieb, auf jeden Fall ruckte sein schlangenartiger Hals plötzlich nach oben. In dem Moment, in dem sich seine beiden Läufe spannten, um das Weite zu suchen, ließ ich die Sehne los.
Der Pfeil sirrte mit tödlicher Präzision auf sein Ziel zu, durchschlug die Rippen, wobei es den knackenden Geräuschen nach jene zersplitterte, und drang tief in den Brustkorb ein. Wild um sich schlagend und einen spitzen Schrei ausstoßend, wirbelten die starken Läufe herum. Grasbüschel, Erde und gelbe Federn flogen auf, ein letztes vergebliches Flattern mit den zum Fliegen ungeeigneten Stummelflügeln, dann war es vorbei. Beide Läufe knickten ihrer Kraft beraubt ein und der zuckende Körper schlug schwer auf dem Boden auf, wo er nach wenigen Augenblicken reglos liegen blieb.
Ich atmete tief durch. Meine Euphorie verflog so schnell wie sie gekommen war. Immer überkommt mich nach dem Akt der Tötung eines so edlen Lebewesens beißendes Schuldbewusstsein, welches sich nur mit dem besseren Wissen der Notwendigkeit meiner Tat besänftigen ließ. Das schlechte Gewissen vergrößerte sich noch mit der Erkenntnis, das viele Fleisch, mit dem mich dieser junge Moa versorgen würde, nur zu einem Bruchteil verwerten zu können.
„Tut mir leid, mein Junge.“ Ich kniete neben dem erlegten Tier nieder, dessen winzige gebrochene Augen mich blind anklagten. Mit den Fingern strich ich durch das weiche, flauschige Federkleid. „Es musste sein.“
Ohne Umschweife machte ich mich an den unangenehmsten Teil der ganzen Prozedur. Einen Moa zu
er
legen war eine Sache. Ihn zu
zer
legen eine andere. Über wenig Ahnung verfüge ich, wie viele Moas ich in meinem Leben schon ausgenommen habe, der Vorgang ist immer der gleiche. Aber man kann dieselbe Sache tausendmal tun und sich beharrlich davor ekeln. Also brachte ich es schnell hinter mich, rollte den Vogel auf den Rücken und schnitt mit zirkelnden Bewegungen des Messers den direkt mit dem Beckenknochen verbundenen Anus des Tieres heraus. Ebenso flink wie gewissenhaft folgte das Aufschlitzen der Bauchdecke bis hoch zum Brustbein, peinlich genau darauf bedacht, innere Organe wie Darm oder Blase nicht zu verletzen. Eine blutige Angelegenheit, und kein Wasser in der Nähe, um mich anschließend zu säubern. Mit äußerster Sorgfalt entfernte ich sämtliche Organe, keines davon wollte ich verwerten. Es ging mir vor allem um das wohlschmeckende Brustfleisch und natürlich die Keulen, welche ich mir besonders schmecken lassen würde.
Innerhalb kurzer Zeit war das Tier gehäutet und für meine Bedürfnisse mehr oder weniger zerlegt. Ganz spezielles Interesse fand das Fettgewebe im Brustbereich des toten Vogels. Nicht gerade wenig, wie ich feststellte. Der Moa war im wahrsten Sinne
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