Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
und marschierte im Zeitlupentempo voran, bis Krister unvermutet zum Stillstand kam. Der kühle Hauch vorbeiziehender Luft war wieder spürbar. Und er schien von oben herab zu kommen. Alle blickten hinauf in undurchdringliche Schwärze. Nichts war zu erkennen. Aber der Weg war klar.
„Wir müssen da rauf.“ Krister blickte in die Runde. Niemand war begeistert davon, ins Unbekannte zu klettern, zumal nicht einmal ersichtlich war, wie hoch es ging. Aber es gab keine andere Wahl. Die schroffe Felswand bot glücklicherweise genügend Tritte und Griffe, um sich hochzuarbeiten.
Krister steckte die Fackel zwischen die Zähne und begann mit dem Aufstieg. Das Absurde an der ganzen Sache war, nicht zu wissen, wohin es ging. Er wagte es jedoch auch nicht, darüber nachzudenken und hoffte inständig, dass das Licht der Fackel ausreichte, um allen den Weg zu leuchten. Immer wieder hielt er an und wartete auf die anderen, bis sie nahe genug heran waren. Dann ging es weiter. Und weiter und weiter. Es schien kein Ende nehmen zu wollen. Angestrengtes Keuchen und unterdrückte Flüche Lukes drangen von Zeit zu Zeit an sein Ohr. An einer Stelle, an der er festen Halt fand, nahm er endlich die Fackel aus dem Mund. Sein Unterkiefer schmerzte von der ungewohnten Aufgabe und nahm die kurze Pause dankbar an.
„Alles in Ordnung mit euch?“ rief er nach unten. Mit der Fackel reichte er in den freien Raum und stellte fest, sich im Innern einer Art Säule von wenigen Metern Durchmesser zu befinden, die sich allem Anschein nach stetig zu verjüngen schien. Die Zugluft, ihr augenblicklich bester Freund, begleitete sie weiterhin. Knapp unter seinen Füßen drang Avaleas Stimme zu ihm.
„Siehst du schon etwas?“
„Nein, noch nicht“, gab Krister zur Antwort.
„Wie hoch wir wohl sind?“
Krister weigerte sich, einen Gedanken daran zu verschwenden.
„Ziemlich hoch“, murmelte er leise. Abgleiten und Fallen würde mit absoluter Sicherheit den Tod bedeuten.
„Geht’s langsam weiter?“ hörten sie Lukes ungeduldige Stimme. „Ich habe keine Lust, in diesem Schlot zu krepieren!“
„Okay!“ Damit klemmte sich Krister die Fackel wieder zwischen Ober- und Unterkiefer und setzte den Aufstieg fort.
Der Schlot, wie Luke ihn genannt hatte, wurde enger und enger, der Luftzug immer intensiver, die Kräfte dagegen schwanden. Krister bewunderte Avaleas Zähigkeit. Ihm taten bereits alle Muskeln weh, von seinem Kiefer ganz zu schweigen. Wie musste sie sich erst fühlen? Skiavos verfügten wohl in der Tat über außergewöhnliche Energiereserven. Gerne hätte er ihr trotzdem geholfen, aber wie? Hoffentlich hielt die Fackel durch. Sie war durch die ungewöhnliche Haltung schon bedrohlich weit heruntergebrannt – welch diabolische Verschwendung – und ihm schauderte bei der Vorstellung, zwischen Himmel und Erde hängend eine weitere entfachen zu müssen, zumal er keine mehr besaß und sich dafür an Luke hätte wenden müssen, der die restlichen beiden bei sich trug. Nun, es konnte ja nicht ewig aufwärts gehen. Irgendwann musste damit Schluss sein.
Und so war es. Der Schlot endete jäh und mündete in ein Gewölbe, dessen Ausmaße vorerst unergründlich blieben. Völlig egal! Die Kletterei hatte ein Ende, das war im Augenblick das Wichtigste.
„Hier ist Schluss!“ rief er erleichtert. „Nur noch ein kurzes Stück!“
„Na endlich“, keuchte Avalea. „Ich kann nicht mehr.“
Krister schwang den Oberkörper aus dem Schlot heraus und blieb für einige Sekunden schwer atmend auf dem kalten und feuchten Felsboden liegen. Dann hielt er die Fackel so günstig wie möglich, um den anderen den Ausstieg zu erleichtern. Dankbar ergriff Avalea die angebotene Hand. Luke ignorierte Kristers Hilfestellung eisern und legte den letzten Meter aus eigener Kraft zurück. Nach Luft ringend gönnten sie sich erst einmal die wohlverdiente Pause sowie einen kräftigen Schluck vom Wasservorrat. Krister nutzte die Gelegenheit, die Höhle, in der sie sich nun befanden, auszuleuchten. Das Loch im Boden, durch das sie hereingeklettert waren, lag wieder vollkommen im Dunkeln verborgen. Wenn sie nicht genau wüssten, dass es da war, würden sie es niemals an dieser Stelle vermuten. Grund genug, die Existenz solch tückischer Fallgruben künftig im Kopf zu behalten.
Avalea, Luke und Krister saßen in einem raumähnlichen, annähernd rechteckigen Gewölbe. Am entgegengesetzten Ende bildete der Fels ein natürliches Portal, das wie ein Torbogen ohne Tor
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