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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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der sich Sentry nannte, wanderten schließlich zu den verschwommenen Gestaden einer Ewigkeiten zurückliegenden Kindheit, kramten Gesichter und Gestalten von Menschen hervor, von einstmals Vertrauten, die lange in Vergessenheit geraten waren. An diese schwärzeste und lautloseste aller Nächte, in der ich Angst vor der Ruhelosigkeit meines eigenen Gehirns bekam, erinnere ich mich noch heute mit Unbehagen. Hatte ich eine Morgendämmerung jemals so sehr herbeigesehnt?
    Von nun an ging es wieder bei Tageslicht weiter. Die eisgrauen Wolken der letzten beiden Tage waren weitergezogen. Ihr Versprechen auf Regen hatten sie erneut nicht eingelöst. Die Landschaft veränderte sich wieder. Der steinharte, festgebackene Boden wurde weicher, lehmiger, feuchter. Pflanzenwuchs nahm zu. Bald marschierten wir über üppig grüne Wiesen. Die karge Steppe von Ithra lag endlich hinter uns und verwandelte sich stetig in fruchtbares Buschland, welches mich an das nordwestliche Laurussia erinnerte. Das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein, verwirrte kurzzeitig. Es lag wohl an der verblüffenden Ähnlichkeit mit Lavonia, dem Landstrich zwischen Skelettfluss und Metun. Arglose Kaninchen, die wenig Scheu vor Menschen hatten, fielen meiner Bogenkunst reihenweise zum Opfer. Es gab Fleisch satt, zu allen Mahlzeiten.
    Wir hörten ihn lange bevor wir ihn sahen. Schließlich standen wir an seinen Gestaden, am felsigen Ufer des Totenflusses, von Menschen einst Styx, von Uhleb und Skiavos Sokwa genannt. Der Sage nach endete hier das alte Reich des Volkes der Yalga, zu einer Zeit, als ihr Herrschaftsgebiet von den Wäldern Manapuris weit im Westen bis an die Große Taorbucht reichte. Im Süden grenzte es an den Sokwa – an eine durchaus logische natürliche Grenze. Seine schier unüberwindliche Breite machte ihn dazu. Von seinem rasanten Lauf ganz und gar zu schweigen.
    Noch nie hatte ich einen schneller fließenden Strom gesehen. Zwei wahre Flussüberquerungen hatten wir bisher meistern müssen, zuerst den kraftvollen Skelettfluss und später den gemächlich fließenden Metun. Ersterer war mir am lebhaftesten wegen seiner temperamentvollen Fließgeschwindigkeit in Erinnerung. Doch gemessen an der Eile, die der vor uns rauschende Sokwa an den Tag legte, durften die vorangenannten Gewässer getrost als gemütlich dahindümpelnde Bäche bezeichnet werden. Er wollte in der Tat keine Zeit verlieren, sich mit dem König der Flüsse, dem Taor River, zu vereinigen. Avalea war sicher, höchstens einen Tagesmarsch von den Sümpfen entfernt zu sein, jenem riesigen Überschwemmungsgebiet, in dem die beiden majestätischen Ströme aufeinandertrafen.
    „Wann warst du das letzte Mal hier?“ fragte ich sie beiläufig, während wir das Nachtlager aufschlugen. Avalea schichtete gerade zusammengetragenes Holz auf und meinte, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen: „Das mag jetzt vierzig Jahre her sein. Womöglich länger.“
    Ich wartete, ob sie aus eigenem Antrieb ausführlicher erzählen wollte, doch blieb es bei der knappen Antwort. Und als wollte sie mir ihre Abneigung einer Unterhaltung in diese Richtung demonstrieren, zog sie los weiteres Holz zu sammeln, obwohl bereits mehr als genug zusammengetragen war.
     
    Den folgenden Tag verbrachten wir damit, dem Lauf des Sokwa nach Westen zu folgen. Das Gelände verwandelte sich in einen Sumpf aus gelblichem Torfmoos, der matschige Erdboden präsentierte sich rutschig und nachgiebig. Der Fluss eroberte die gesamte Landschaft und setzte sie beharrlich unter Wasser.
    Längst war unser Schuhwerk vom Morast durchdrungen, durch den wir wateten. Das Rauschen des Stroms sowie das Schmatzen besohlter Füße begleiteten uns für viele Stunden. Avalea, die nach eigenen Angaben einen Weg durch den Sumpf kannte, ging voran. Zuweilen überkam mich das Gefühl, sie wusste selbst nicht genau wo es lang ging, als irrte sie auf gut Glück drauflos. Dann wiederum beschleunigte sie ihre Schritte, als verfolgte sie doch ein bestimmtes Ziel. Ich ging dicht hinter ihr, dann folgten Luke und in einigem Abstand Krister. Letzterer begann sich wieder abzuschotten. Schon gestern war er außerordentlich still gewesen und hatte auch heute noch keinen nennenswerten Ton von sich gegeben. Was auch immer ihn beschäftigen mochte, mir blieb wenig Zeit darüber nachzudenken, nachdem es sich immer schwieriger gestaltete, ordentlich voranzukommen. Von Gehen konnte schon lange keine Rede mehr sein, wir wateten nur noch mehr schlecht als recht voran.

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