Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Mithankor den Kürzeren. Nur wenigen entkamen und konnten Zeugnis ablegen. Was sie zu erzählen wussten, klang jedoch widersprüchlich und phantastisch. Niemand wollte ihnen im Grunde Glauben schenken.
„Was ist an der Legende dran, die Opreju hätten die Mithankor im Großen Krieg für ihre Zwecke einspannen können?“ fragte ich Avalea.
Ihre Antwort kam ohne zu zögern.
„Wie du schon es schon treffend beschrieben hast, eine Legende. Mithankor sind Raubtiere, sie töten, um zu überleben, nicht weil sie taktieren. Ich halte das für ausgeschlossen, zumal genügend Opreju selbst Opfer der Mithankor geworden sind.“
Eine aufregende Vorstellung. Ich malte mir in den schillerndsten Farben aus, wie ein Rudel Mithankor einen riesigen, wehrhaften Opreju zu Fall brachte. Sie mussten über kraftvolle Kiefer verfügen, um den Knochenpanzer eines Opreju aufzubrechen.
„Die Opreju fürchten die Mithankor zu sehr, um auch nur eine Minute daran zu denken, sie für sich zu gewinnen“, fuhr Avalea nach kurzer Pause fort. „Immerhin leben sie in zwei verschiedenen Welten, die einen am Tag, die anderen in der Nacht. Du musst bedenken, Jack, die Opreju werden nachts, wenn es abkühlt, deutlich behäbiger. Sie sind wechselwarme Geschöpfe, so wie zum Beispiel Insekten. Ganz im Gegensatz zu den Mithankor. Diesen listigen Räubern machen Temperaturschwankungen nichts aus. Wo sie tagsüber verweilen, weiß niemand so genau. Wahrscheinlich graben sie sich ein oder ziehen sich in Höhlen zurück.“
„Ist es dann nicht leichtsinnig, die Nacht zum Tag zu machen?“
„Natürlich ist es ein Risiko, Luke“, meinte Avalea. „Aber ich schätze die Gefahr der uns womöglich folgenden Opreju höher ein, als die der Präsenz der Mithankor. Wir sollten unsere Taktik jedoch spätestens dann ändern, wenn wir die Sümpfe erreichen. Opreju werden es nicht wagen, dieses unsichere Gebiet zu betreten. Dann dürfen wir uns getrost der Gefahr der Mithankor annehmen.“
Krister verzichtete darauf zu fragen, wieso erst dann.
„Linguren und Opreju bei Helligkeit, Mithankor im Dunkeln. Dass wir noch nicht längst von irgendeiner wilden Bestie aufgefressen worden sind, grenzt an ein Wunder.“
Das erinnerte mich an etwas. Ich berichtete Avalea von meinem nächtlichen Besucher in Uhleb und dem Verdacht, einem fleischfressenden Moa begegnet zu sein.
„Ja, Jack, an deinem Verdacht ist etwas dran. Die Spuren, die du beschreibst, passen sehr gut zu einem Woldrog. Höchstwahrscheinlich war es einer.“
„Woldrogs sind räuberisch lebende Moas?“ fragte ich sie.
„Es sind keine Moas im eigentlichen Sinne, auch wenn sie ihnen vielleicht ähnlich sehen. Woldrogs verfügen über riesige Schnäbel, die sie wie Beile gebrauchen. Ein Hieb genügt, um einen Schädel zu spalten. Du hattest Glück, dich hoch genug in einem Baum zu befinden.“
„Gibt es eigentlich irgendeine Tageszeit, während der wir uns sicher fühlen dürfen?“ fragte ich sarkastisch.
Avalea entfuhr ein ironisches Lachen.
„Schon lange nicht mehr.“
Wir erreichten den Sokwa nach drei ereignislosen Tagesmärschen. Keine Spur von Opreju oder Mithankor. Die Bewölkung hatte am Nachmittag des zweiten Tages nach meiner Befreiung zugenommen, den nächtlichen Himmel vollends abgedunkelt und weiteres Vorankommen im Schutze der Finsternis unmöglich gemacht. Wir hatten den ganzen Tag geschlafen, waren ausgeruht und voller Tatendrang und nun dazu verdammt, untätig herumzusitzen. Rechtzeitig vor Beginn der Nacht löschte Krister das Feuer. Danach herrschte vollkommene Dunkelheit.
Es folgte eine der schwärzesten und beklemmendsten Nächte meines Lebens. Kein Lüftchen ging, bedrückende, tonlose Stille umgab uns, die tonnenschwer auf dem Gemüt lastete. Nicht ein einziges nachtaktives Insekt zirpte, kein Blatt raschelte im Geäst. Ich bekam ein beängstigendes Gefühl dafür, was Taubheit bedeutete. Hin und wieder vernahm ich die beruhigenden Bewegungen meiner Gefährten, die unruhig schliefen und sich zuweilen auf ihrem Lager hin und her wälzten. Hellwach und munter wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser lag ich friedlos da, nicht in der Lage, auch nur ein Auge zu schließen. Meine Gedanken begaben sich auf gewohnte Wanderschaft. Sie kehrten zurück zu den haarsträubenden Ereignissen der vergangenen Wochen, ließen Raum und Zeit hinter sich, besuchten den Hunderte von Meilen entfernten sorgenvollen Vater, nahmen Verbindung zu Rob auf, kommunizierten vergeblich mit einem,
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