Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Ich fragte mich, wie lange es noch dauern konnte bis einer von uns ausrutschte, als es hinter mir auch schon laut klatschte und Luke der Länge nach mit dem Gesicht voran in den Morast schlug. Ich reichte dem Unglücklichen die Hand und zog ihn wieder auf die Beine. Krister stand teilnahmslos hinter seinem Stiefbruder und schüttelte verständnislos den Kopf. Über und über mit faulig riechendem Schlick bedeckt stand der Junge vor mir, vergeblich versuchend, die ohnehin ramponierte Kleidung notdürftig zu reinigen.
„Ich hab die Schnauze so was von voll“, rief er aufgebracht. Zähflüssiger Matsch tropfte von seinem Kinn und verlieh ihm tragikomisches Aussehen. „Gibt es keinen anderen Weg, verflucht?“ Diese Frage war eindeutig an Avalea gerichtet, die emotionslos weitergegangen war, sich aber durchaus noch in Hörweite befand.
„Nur die Ruhe.“ Sie wandte sich um. „Dort vorne wartet die Erlösung.“
Ich schloss zu ihr auf. Was sie als „Erlösung“ bezeichnete, haute erst einmal niemand aus dem Sattel.
„Sieht aus wie ein Waldstück“, sagte ich wenig beeindruckt.
„Ein besonderer Wald“, korrigierte sie mich. „Wir haben die Kalamiten erreicht, einen der letzten großflächigen Schachtelhalmwälder Gondwanas. Durch ihn hindurch führt ein gangbarer Weg an den Taor. Ich dachte schon, wir würden nie mehr ankommen.“
Lukes schlechte Laune verflog augenblicklich.
„Von Kalamiten habe ich zwar noch nie gehört, aber jede Anwesenheit von Bäumen ist ein gutes Zeichen, sie sorgen für feste Böden.“
Er sollte Recht behalten. Wir mussten freilich noch ein gutes Stück Weges dahinwaten, aber mehr und mehr stabilisierte sich der Untergrund. Als wir in den Wald eintauchten, konnten wir wieder einwandfrei marschieren.
Die Kalamiten erwiesen sich als beklemmendes Gehölz, was ich auf die Größe der mich an Bambus erinnernden Bäume zurückführte. Gute dreißig Meter ragten sie in den Himmel und degradierten uns, die wir sie durchwanderten, zu kleinwüchsigen Zwergen. Dabei waren die Lichtverhältnisse zweifellos angenehm. Die Bäume verfügten über keinerlei Kronen, allenfalls über einen ringartigen Schirm aus farnähnlichen Wedeln, die träge im Wind flatterten. Die Riesen standen deutlich weiter auseinander als es beispielweise im Kasawar der Fall gewesen war, und der Boden zeigte sich weit weniger von Gestrüpp überwuchert. Dennoch erzeugten gerade die kahlen, wie blanke Knochen schimmernden Stämme der Kalamiten eine merkwürdig abweisende Atmosphäre.
„Kein Ort zum Verweilen“, murmelte ich. „Da war ja der Sumpf einladender.“ Je tiefer wir in den Wald vordrangen, desto kräftiger nahm das Unterholz zu. Buschwerk, halbwüchsige Bäume und umgestürzte, vermodernde Stämme taten das ihrige, um zügiges Vorankommen so schwer wie möglich zu machen. Längst ging ich voran, mit meinem eisernen Stab, dem Ithronn, Schneisen in das Dickicht schlagend. Nur zögernd und äußerst widerwillig wich die grüne Hölle zurück. Mehr als einmal fragte ich Avalea, ob sie sich ihres Weges sicher war. Sie nickte stets.
Irgendwann lichtete sich das Gesträuch und wir standen wieder am Ufer des Sokwa. Nur hatte sich der Strom um ein Vielfaches verbreitert und floss bei weitem nicht mehr so ungestüm wie noch am Morgen. Geradezu gemächlich strömte das Wasser dahin.
„Na also“, sagte Avalea erleichtert. „Wir haben False Lake erreicht.“
„False Lake?“ fragte ich sogleich. Diese Bezeichnung war mir nicht geläufig und auch in der Karte fand ich jenen Name nicht.
Avelea nickte.
„Hier in der Nähe vereinigen sich die beiden Ströme und bilden ein seeähnliches Gewässer, den die Menschen einst False Lake nannten. Auf der anderen Seite beginnt bereits Yalga. Seht ihr? Hier ist der beste Platz zum Übersetzen. Das Ufer ist zwar kaum auszumachen, aber so brauchen wir keine Strömungen zu befürchten.“
Krister ließ den Rucksack fallen.
„Dann schlage ich vor, wir übernachten hier und machen uns morgen an den Bau eines Floßes, das uns sicher nach drüben bringt. Für heute dürfte es dafür zu spät sein.“
Im Dickicht entlang des Sees wimmelte es von Kaninchen und Vögeln. Mit sauberen Schüssen erlegte ich einen weiteren Nager und holte eine unvorsichtige Ente vom Himmel, die zu spät aufflog. Luke fand schotenähnliche, nussbraune Früchte, die wie überdimensionale Bohnen aussahen und bereits im Feuer schmorten, als ich zurückkehrte. In ihrem Innern befanden sich fünf bis
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