Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
weitere zwei waren vonnöten, um in den Schlagbereich zu kommen. Doch der Lingur war nicht so dumm wie er aussah. Er ging auf Distanz, traute dem erhobenen, in der Sonne weithin glänzenden Stab nicht über den Weg.
„Nimm Pfeil und Bogen!“ hörte ich Krister rufen. „Mit dem albernen Eisenstab hast du keine Chance!“
Er hatte wohl Recht. Um an den Bogen zu kommen, musste ich jedoch erst den Rucksack ablegen. Also ging ich in die Knie und ließ den Ithronn sacht ins Gras sinken. Mit ruhigen Bewegungen entledigte ich mich des Gepäcks, nahm den Bogen auf und zog gleichzeitig einen Pfeil aus dem Köcher. Der unbeeindruckt wirkende Lingur ließ mich tatenlos gewähren. Noch. Aber als ich die Sehne spannte und den Bogen anhob, entstand vermutlich ein für ihn zu bedrohliches Bild. Wütend brummend – und überraschend schnell – schoss das Vieh rückwärts fliegend gen Himmel. Ich wagte dennoch einen Versuch. Sirrend zerschnitt der Pfeil die Luft, verfehlte den fliehenden Lingur jedoch bei weitem.
„Verflucht!“ rief Avalea. „Jetzt haben wir ein Problem.“
„Beruhige dich“, sagte Krister ungerührt. „Das war einer dieser Linguren, richtig?“
Sie nickte.
„Ja, das war einer.“
Ich nahm den Pfeil wieder auf, der in der Nähe gelandet war.
„Genau. Einer. Nur einer. Der kann uns nicht gefährlich werden.“
„Einer nicht, da habt ihr ganz Recht. Aber das war ein Späher. Er wird jetzt zu seinem Schwarm zurückfliegen und mitteilen, wo wir uns befinden. In Kürze haben wir Hunderte von den Drecksviechern am Hals.“
„Meinst du wirklich?“
„Ich bin mir sicher, Luke. Verdammt offenes Gelände hier. Wir sind meilenweit sichtbar, das ist übel. Und kein Baobab in Sicht, in dem wir uns verkriechen könnten.“
„Ob wir rechtzeitig den Wald erreichen?“ Meine Frage war rein theoretisch. Natürlich blieb diese Option nicht, zu weit hatten wir uns bereits vom schützenden Dickicht des Dschungels entfernt.
„Was sagtest du vor kurzem, Avalea? Von der Bildfläche verschwinden wäre die einzige Lösung. Wie wäre es, wenn wir ein Stück in die Caldera absteigen und uns dort verstecken?“
Avalea lachte höhnisch.
„Krister, das wäre eine Wahl zwischen Skylla und Charybdis.“
Wir sahen sie verständnislos an.
„Eine Wahl zwischen… was und was?“
„Vergesst es! Es geht viel zu steil hinab, um nur ein Stück einzusteigen, Krister. Wir kommen da nie mehr hoch! Die Caldera wähle ich erst, wenn es wirklich keine andere Option mehr gibt. Los, verschwinden wir! Haltet die Augen nach einem Versteck offen!“
Und wir rannten los.
27 CALDERA
Avalea sollte wie so oft Recht behalten. Gehetzt wie fliehendes Wild brachten wir zwar schnell Abstand zwischen uns und dem letzten Punkt, an dem der Späher aufgetaucht war, unsere Füße trugen aber nicht so schnell, wie es wünschenswert gewesen wäre. Und nicht ein Versteck fand sich, nicht einmal eine Senke, in der wir uns vor suchenden Blicken hätten verbergen können. Wir waren meilenweit sichtbar.
„Sie kommen!“ warnte Krister viel zu früh. „Verdammt, das ging ja fix.“
Ich warf einen Blick zurück. Die heraneilenden Linguren sahen aus der Ferne aus wie tieffliegende Seevögel. Und sie flogen mindestens ebenso schnell. Niemals hätte ich damit gerechnet, wie schnell sich diese unterschätzte Gefahr zusammenbraute. Wie lange rannten wir schon? Zwei Minuten? Drei?
Es gab keine große Wahl, das war klar. Da sich kein Schlupfwinkel fand, in den wir uns hätten zurückziehen können, bot sich nur die Möglichkeit, Kristers Vorschlag aufzugreifen: hinunter in die Caldera, so schwierig es auch sein mochte, wieder einen Weg herauszufinden. Die Gefahr, von den angreifenden Linguren bis auf die Knochen abgenagt zu werden, war eindeutig größer, als uns in der weißen Wüste der Caldera rettungslos zu verirren. Zeit zum Diskutieren blieb nicht. Die ersten Ekelviecher waren bereits heran und umschwirrten uns – jedoch unter Einhaltung eines gewissen Abstands.
Wir blieben keuchend stehen und stellten uns der Gefahr. Weglaufen machte keinen Sinn mehr.
„Wieso greifen sie nicht an?“ Ich wirbelte den Ithronn mit beiden Händen. Fauchend durchschnitt er die Luft.
„Ah, sie sind feige“, erklärte Avalea mit einem tiefen Seufzer. „Sie warten auf den Rest ihres blutrünstigen Schwarms. Naja, wenigstens ist jetzt geklärt, wohin die Reise geht. Wir haben keine Alternative mehr.“
Krister nickte mit starrem Blick.
„Es wird uns
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