Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
begann ich, eins und eins zusammenzuzählen. Konnte es wahr sein? Und wenn ja, was ging es mich an? Ehrlicherweise musste ich mir eingestehen, selbst mehr als nur einmal durchaus eindeutiges Verlangen nach der Skiava aus Hyperion verspürt zu haben. War es Eifersucht gewesen, die ich in Kristers Augen sah, als ich neulich morgens im Innern des Baobab meinem Begehren einen Atemzug nachgegeben hatte?
„Dann weg damit“, sagte ich, um mich selbst von den heiklen Gedanken abzulenken, die in meinem Kopf herumspukten, und steckte die Blüte kurzerhand in den Mund. Krister und Avalea lachten lauthals, als ich sie kurz darauf angewidert wieder ausspuckte. Luke konnte sich ein Grinsen ebenfalls nicht verkneifen.
„Ja, lach du nur, du Esel!“ rief ich ungnädig. „Hast du nicht behauptet, der Kram sei genießbar?“ Bitter wie Galle schmeckte das Zeug.
„Nun, nicht ganz“, erwiderte Luke ruhig. „Ich sprach nur von den Fruchtblättern, nicht von den Blütenblättern.“ Sorgfältig entblätterte er eine weitere Blüte und zerkaute genüsslich den verblieben Fruchtknoten. „Ja, in der Tat, süß wie Honig... ihr solltet es auch probieren.“
So labten wir uns an diesem süßen Geschenk der Natur. Versteckt beobachtete ich Krister und Avalea beim Blütenpflücken. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, ich betrachtete beide von nun an mit anderen Augen – was mir ganz und gar nicht gefiel.
Um die Mittagszeit hatten wir sie endlich erreicht, die geheimnisvolle Große Caldera. Wir waren neugierig ein wenig westlich abgedriftet, als wir den gewaltigen Grabenbruch schon aus weiter Entfernung auf uns zukommen sahen. Es war jenes unbeschreibliche Leuchten, das in seinen Bann zog. Tatsächlich schien es, als glänzte der ganze Horizont in dieser Richtung in spektakulär reinem Weiß, was ich zunächst als Sinnestäuschung abtat. Doch sah ich mich eines Besseren belehrt. Immer greller schien die Sichtgrenze zu strahlen. Avalea löste dieses Mysterium wieder einmal mit Hilfe ihres unerschöpflichen Wissens auf.
„Es ist helles Gestein, welches das Licht der Xyn reflektiert. Imposant, nicht wahr?“
Im wahrsten Sinne des Wortes. Es schien, als herrschte im Innern dieses unermesslich großen Kessels ein eigenes Zentralgestirn. Schwer beeindruckt marschierten wir darauf zu und standen schließlich und endlich am Rand des riesigen Grabens, der meilenweit über den Horizont hinaus nach Süden reichte. Beinahe senkrecht ging es hinunter, viele hundert Meter tief. Trotz des blendenden Lichts konnte ich meine Augen nicht abwenden von der bizarren Schönheit dieser außergewöhnlichen Landschaft, die anzog und abstieß gleichermaßen.
„Ich frage mich, warum sich die Erde hier veranlasst fühlte, sich derart weit zu öffnen. Sind es wirklich nur die Überreste eines zusammengestürzten Vulkans?“ Beiden Händen schützend vor die Augen haltend ließ ich den forschenden Blick über die grenzenlose Weite schweifen.
Avalea schickte sich an, auch hier eine Antwort zu geben, doch kam sie nicht dazu. Irritiert wandte sie sich um, zu jenem merkwürdigen Summen in unserem Rücken, das auch ich jetzt vernahm. Der Anblick des absonderlichen Geschöpfes, das brummend wie eine zu ansehnlicher Größe mutierte Kapra nur wenige Meter entfernt auf halber Höhe schwebte und uns neugierig aus einem Paar violett schimmernder knopfgroßer Facettenaugen musterte, entlockte mir ein spöttisches Grinsen. Ulkig sah es aus, wie eine übergewichtige Fleischfliege, unförmig, ja lächerlich. Seine schwirrenden Flügel erzeugten monotones, mechanisch klingendes Surren.
„Schaut euch mal diese Insekt an“, rief Luke begeistert. Die laute Stimme ließ das unbekannte Wesen augenblicklich reagieren. Sein Kopf ruckte zu dem Jungen herum.
Krister pfiff gellend auf zwei Fingern, was den fliegenden Brummer dazu veranlasste, eiligst ein paar Meter Abstand zu nehmen. Wir Männer lachten.
„Was ist das denn für ein albernes Vieh?“ Meine lachend unterlegte Frage galt Avalea, aber als ich ihr Gesicht sah, wusste ich eines sofort: der Spaß war vorüber.
„Wir müssen es töten!“ zischte sie. „Das ist ein Späher!“
„Ein Speer?“ fragte Luke belustigt. Er hatte die Gefahr noch nicht erkannt. Ich dafür umso mehr. Den Ithronn ziehend machte ich einen ersten Schritt auf den Linguren zu, der sich sofort auf mich konzentrierte.
Ein zweiter Schritt. Keine Reaktion. Das Biest beobachtete mich weiter genauestens.
Ein dritter Schritt. Wenigstens
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