Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
so etwas wie Tatkraft zurück. Wir hatten den ganzen Tag im Schatten zugebracht und jetzt, ausgeruht aber wenig erfrischt, machte sich erneut beißender Hunger bemerkbar. Wissend, dass uns nur der Taorfluss retten konnte, drängte ich zum Aufbruch.
„Wir müssen los“, ließ ich verlauten. „Avalea, was denkst du, wie weit ist es noch zum Taor?“
Sie schien sich darüber bereits ihre eigenen Gedanken gemacht zu haben, denn die Antwort kam ohne einen Moment des Überlegens.
„Weit sind wir nicht mehr entfernt, wenn wir Glück haben, erreichen wir ihn schon morgen früh.“
„Ja, und dort gibt es Fische in Hülle und Fülle. Krister, du hast doch noch dein Angelzeug?“
„Darauf kannst du Gift nehmen. Mann, wenn wir nur schon dort wären. Ich kann vor Hunger kaum mehr aus den Augen schauen.“
„Habt ihr alle noch genügend Wasser?“ fragte ich in die Runde. Eine an sich unnötige Frage, da es soweit das Auge reichte ohnehin keines gab. Alle nickten jedoch, auch Luke, obwohl ich wusste, dass es nicht der Wahrheit entsprach. Ich hatte ihn verdächtig oft zum Wasserbeutel greifen sehen, sein Vorrat musste so gut wie erschöpft sein.
Es dauerte gewisse Zeit, bis die eingerostete Mechanik des Laufens wieder einigermaßen flüssig ablief. Anfangs schmerzte meine Beinmuskulatur unerträglich. Doch sollte ich mich ums andere Mal auf meinen Körper verlassen können. Die Schmerzen fielen wie durch ein Wunder nach den ersten hundert Metern von mir ab. Ebenso überraschend stellte ich fest, über so gut wie keinen Hunger mehr zu verfügen. Anscheinend war es dem Organismus gelungen, geheime Reserven anzuzapfen, jetzt wo ihm klar wurde, trotz aller Proteste weiterhin auf Energiezufuhr von außen verzichten zu müssen. Dennoch mussten wir wider Erwarten nicht völlig ohne etwas zu essen auskommen. Dank des sternenklaren Himmels und eines immens hell leuchtenden Tauri, der mit jedem Tag, der verging, stetig an Größe zulegte, machte Avalea eine Gruppe hochgewachsener, mit Stacheln und Dornen bewehrter Gewächse aus (Scheibenkakteen, wie Luke sie nannte), von einer Art, der wir meines Wissens zum ersten Mal begegneten. Die Skiava zeigte sich einigermaßen ernüchtert ob der nicht vorhandenen Früchte, die diese stachligen Brüder offenbar ab und zu hervorbrachten. Nur leider eben nicht im Augenblick.
„Sehr schade“, sagte sie hörbar enttäuscht. „Nun ja, immerhin sind auch die jungen Triebe essbar. Besser als nichts.“
Unter ihrer Anleitung schälten wir die fleischigen Blätter, die die Größe einer Hand erreichten, und labten uns an dem unerwartet mild schmeckenden Grünzeug. Eine Wohltat, überhaupt wieder irgendetwas in den Magen zu bekommen. Selbst Krister, prinzipiell kein Freund vegetarischer Kost, langte tüchtig zu.
Ganz wie von Avalea vermutet, standen wir kurz nach Sonnenaufgang wieder am Ufer des größten Stroms Gondwanalands, dem Taor River. Hier an seinem Oberlauf präsentierte er sich außergewöhnlich breit, kraftvoll fließend – und damit schier unüberwindbar. Ihn wiederzusehen war wie ein Versprechen, den Rest des Weges nun auch zu schaffen. Am südlichen Horizont türmten sich bereits die verschwommenen nebelgrauen Gipfel des Ringgebirges auf, das den Taorsee wie einen schützenden Wall umgab. Dorthin mussten wir, dort lag das Ziel – und es lag schon in Sichtweite. Ich hätte weinen mögen vor Freude.
„Wir haben es mal wieder geschafft“, flüsterte ich stattdessen, meinen Blick über den Flusslauf hinaus in Richtung der Berge sendend. Diese etwas emotionslose Feststellung schuldete ich wahrscheinlich sowohl allgemeiner Ermüdung als auch kaum mehr zu bremsendem Heißhunger. Dennoch erlaubte ich mir diese Sekunden des Innehaltens, bevor ich es den anderen nachmachte und die spärlich bewachsene Böschung hinunterstürzte, um in den erfrischenden Fluten des Flusses einen seit langen Tagen gehegten Traum zu erfüllen. Wie Balsam fühlte sich das beruhigend kühle Wasser auf der von Sonne und Staub geschundenen Haut an.
Krister verteilte ohne weitere Umschweife Angelschnüre und wühlte auch schon im Uferbereich nach im Sand verborgenen Ködern. Unendlich später (erstaunlich, wie schleppend die Zeit dahinkriecht, wenn der Magen knurrt wie ein Höllenhund) durften wir uns endlich über die ersten mehr oder weniger gegarten Fische hermachen. Das Feuer indessen brannte bis in die Abendstunden, denn den ganzen Tag lang standen wir in einer Reihe mit den Füßen im rauschend
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