Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Kopfschüttelnd kehrte ich zu den anderen zurück, die bis auf Avalea eingeschlafen waren. Ich versuchte, die Skiava nicht zu beachten und auch etwas Schlaf zu finden. Welch offenes Buch ich für sie sein musste, als sie, noch bevor ich mich hinlegte, sagte: „Zweifel? Verständlich. Alles andere wäre verwunderlich.“
Ich nickte ihr zu und zwang mir ein Lächeln ab. Keine Ahnung, was ich darauf hätte antworten sollen.
„Wir sind so weit gekommen, Jack, jetzt schaffen wir auch den Rest.“
„Davon gehe ich aus“, stimmte ich zu, wenn auch nicht im Geringsten klar war, wie ich mir jenen „Rest“ vorzustellen hatte. Augenblicklich sorgte ich mich mehr um die immer noch angeschwollenen Hände. Hitze und Staub trugen nicht zu ihrer Besserung bei. Meine linke Hand, zu einer Klaue deformiert, ließ sich nur schwer und wenn dann nur unter Schmerzen krümmen. Zum wiederholten Male versorgte mich Avalea fürsorglich mit ihrer Lutana-Wundersalbe, die immerhin gewissen Kühleffekt erzeugte, der einigermaßen Linderung brachte. Ihrer Meinung nach müsste die Schwellung bald zurückgehen, wenn ich die Hand nur etwas schonte. Leichter gesagt als getan, dennoch versprach ich, darauf zu achten.
Wie noch wenige Tage zuvor tief unten in der Caldera verschliefen wir die Hitze des Nachmittags. Als die Xyn den Horizont berührte und ihre brutale Strahlung die Haut nicht mehr versengte, ging es weiter. Zwar war mein Körper inzwischen braungebrannt und somit bemerkenswert sonnenresistent, doch die Hitze in dieser scharlachroten Halbwüste stellte alle bisher erlebten Temperaturrekorde in den Schatten. Dagegen erschienen mir sogar die vergangenen Tage in der Caldera wie ein Frühlingsspaziergang. Trotz der bereits anbrechenden Dunkelheit herrschten weiterhin Temperaturen wie in einem rotglühenden Feuerkessel. Kalka-undu hatte die Farbe der Nacht angenommen, eine dunkelgraue Wand, die bedrohlicher wirkte, als sie im Grunde war. In seinen schwarzen Schatten konnten sich jedoch ohne weiteres Bedrohungen verborgen halten. In Momenten wie diesen hoffte ich inständig, Avaleas Theorie vertrauen zu dürfen, westlich des Taorflusses nicht Gefahr zu laufen, auf Mithankor zu treffen.
Wir ließen den Inselberg hinter uns und setzten die Reise schweigend fort. Im Verlauf der sternenklaren Nacht kühlte es endlich spürbar ab, jedoch sanken die Temperaturen zu keiner Zeit so tief wie beispielsweise noch in Ithra. Es blieb angenehm temperiert, eine Wohltat.
Das weite Land lag offen vor uns, weithin erhellt vom Licht unzähliger Sterne. Faszinierend schön – und doch barg es Gefahren für uns Eindringlinge, an die ich nicht denken wollte. Wir blieben stets dicht beisammen, um uns im Notfall verteidigen zu können (wie immer ein solcher Notfall auch aussehen mochte, davon hatte keiner außer vielleicht Avalea eine vage Vorstellung), doch alles blieb ruhig und friedlich. Es wäre ideal gewesen, noch vor Anbruch der Dämmerung (oder zumindest kurz danach) einen ebenso perfekten Lagerplatz wie zu Fuß des Kalka-undu zu finden, aber diesen Gefallen tat Fennosarmatia nicht.
Viel zu früh ging die Xyn mit phantastischem Farbenspektakel auf. Das pfannkuchenflache Land bot einen eindrucksvollen Rundumblick. Horizont wohin man auch sah. Die östliche Sichtgrenze hatte Feuer gefangen, noch weit bevor sich die Sonne über den Rand der Welt schob. Ein paar dürftige Wolken über uns, in denen weniger Regenwasser weilte als in den Wasserbeuteln, erstrahlten in kitschigem Zartrosa. In Kürze würde uns die Hitze erneut zum Stillstand zwingen.
Und nicht nur sie. Unsere Mägen sandten eindeutige Signale. Wo waren sie nun, die handzahmen Kaninchen von gestern Morgen? Nicht eines zeigte sich. Mein Körper verlangte eindringlich nach Nahrung. Die gewonnene Energie aus dem Fleisch der wenigen Frösche war längst aufgebraucht. Den Bogen im Anschlag haltend sah ich mich achtsam um, geneigt, auf alles zu schießen, was sich nur im Geringsten bewegte. Doch es bewegte sich rein gar nichts. Ich war bereit, alles zu essen, was nur irgendwie essbar aussah.
Zu allem Überfluss setzte die Glut des Tages zeitig ein. Es durften wohl kaum mehr als zwei Stunden nach Sonnenaufgang vergangen sein, und schon hatte ich das Gefühl, gegen eine glühende Wand anzulaufen. Wir mussten bald – sehr bald – einen Unterschlupf finden, oder wir würden bei lebendigem Leib gegrillt werden. Zu allem Überfluss kam Wind auf, glühend heißer Brodem aus südlicher Richtung, der
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