Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Vergnügen opfern.“
„Das ist mir im Augenblick völlig egal“, schleuderte ich Cantrell entgegen. „Wenn ich schon zum Tode verurteilt bin, gut. Aber mein Bruder hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Lass ihn laufen! Du sagst selbst, er wird nicht mehr gebraucht. Bring ihn runter von dieser Insel! Ich bitte dich!“
Cantrell sah mich amüsiert an. „Sieh an, sieh an. Gerade eben wolltest du mich noch umbringen und in der nächsten Sekunde bittest du um einen Gefallen. Nicht sehr konsequent würde ich sagen.“
„Was für einen Unterschied macht es für dich, ob er lebt oder tot ist? Er kann dir nicht schaden.“
„Du vergisst, dein lieber Bruder ist ein Opreju. Ein Opreju, hörst du? Ein Todfeind! Hast du das schon vergessen?“
„Er ist mein Bruder“, sagte ich beharrlich. „Alles andere interessiert mich nicht!“
„Wieder eine dieser zartfühlenden Sentimentalitäten.“ Cantrell zeigte sich erneut angewidert. „Dir ist wirklich nicht zu helfen. Du beginnst mich zu langweilen, Jack Schilt. Damit dürfte deine Audienz beendet sein.“
Er verschwand aus meinem Blickfeld und näherte sich wieder aus einem toten Winkel. Bevor ich merkte was los war, spürte ich den Einstich im rechten Oberarm.
„Was wird das?“ schrie ich aufgebracht und konnte doch so gar nichts dagegen unternehmen.
„Nur ein Sedativ, keine Angst. Ich werde dich bestimmt nicht töten, sei unbesorgt. Das wird jemand anderes erledigen. Alles Gute, Jack Schilt! Du wirst es brauchen.“
Innerhalb der nächsten Sekunden versank die Welt um mich herum wie in einem gläsernen, mit Wasser gefüllten Bassin. Alle Konturen in dem ohnehin mäßig erleuchteten Raum verschwammen vor meinen schwerer werdenden Lidern. Das wiehernde Gelächter Cantrells, welches in meinem Gehirn tausendfach widerhallte, begleitete mich wie ein teuflisches Wiegenlied in den künstlichen Schlaf.
34 ROB
Lange konnte ich nicht weggetreten gewesen sein, mir kam es jedenfalls so vor, als seien nur Minuten vergangen. Einen Schwur hätte ich darauf jedoch nicht leisten mögen.
Ich befand mich nicht mehr in jenem Raum, in dem mir die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, mit Alpha Cantrell zu schwatzen, soviel stand fest. Meinen noch immer leicht benebelten Kopf zur Seite neigend nötigte ich die Augen, endlich ordentlich zu fokussieren. Natursteinwände. Dieser Platz war aus dem blanken Fels herausgehauen worden. Von irgendwo kam Licht. Kaltes, gelbes Licht. Die Einstichwunde am Arm juckte. Stirnrunzelnd rieb ich die gereizte Stelle. Wut auf Cantrell kehrte zurück. Wie sehr ich diese Kreatur verabscheute!
Ich erhob mich. Nicht eben groß, die Zelle, etwa vier mal fünf Meter. Und ich war nicht allein, wie ich plötzlich feststellte. Auf der gegenüberliegenden Seite kauerte eine reglose Gestalt auf dem nackten und kühlen Boden. Offensichtlich ein alter Mann. Langes, schneeweißes Haar hing wirr nach allen Seiten herunter.
Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Schlief er oder war er gar tot? Nein, er lebte, ich konnte jetzt deutlich schwache Atemzüge vernehmen. In diesem Moment nahm der Alte das Kinn hoch, als hätte er mich gewittert. Sehen konnte er mich nicht, seine Augen blieben geschlossen. Tränen schossen mir in die Augen und verschleierten den schmerzhaften Anblick.
Der alte Mann mit dem schlohweißen Haar und den jetzt weit aufgesperrten Augen, die direkt auf mich gerichtet waren, war Rob!
Unfähig einen weiteren Schritt zu machen, verharrte ich bestürzt auf der Stelle. Rob erkannte mich nicht, er blickte wie ein Toter durch mich hindurch, als existierte ich gar nicht. Dann hob er ruckartig den Kopf noch ein Stück an. Ich sah in das verrunzelte Antlitz eines Greises. Nur ganz entfernt erinnerte es an meinen Bruder. Doch ein Blick in seine Augen hatte genügt. Ja, es waren Robs Augen. Daran gab es keinen Zweifel.
„Rob...?“ Meine Stimme zitterte.
Mein Bruder sah mich lange an. Trotz des wenigen Lichts in diesem Verlies bemerkte ich seine Tränen. Doch sein Gesicht lächelte, die Wiedersehensfreude ließ es für einen Moment jünger wirken.
„Jack!“ Der Greis richtete sich langsam und ächzend auf. Du lieber Himmel, was war mit Rob geschehen? Das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte, war er voller Leben gewesen, ein junger Mann von nicht einmal dreißig Jahren. Und jetzt? Ich konnte es nicht begreifen. Wie unbeschreiblich weh sein Anblick tat!
„Jack, bist du es wirklich?“ Auch seine Stimme war die eines uralten Mannes geworden,
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