Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
brüchig und heiser.
Ich ging mit geöffneten Armen auf ihn zu. Rob wankte auf unsicheren Beinen.
„Bist du gekommen... um mich heimzuholen?“ fragte er, und in diesen wenigen Worten lag die trügerische Hoffnung eines zum Tode Verurteilten, der an morgen nicht mehr zu glauben wagte.
„Ich hole dich heim, ganz gewiss.“ Meine Arme schlossen sich um Rob, der sich wie ein Kind fallen ließ. Mit Leichtigkeit hielt ich ihn fest. Himmel, er wog so gut wie nichts mehr! Ich spürte die harten Knochen seiner ausgezehrten Arme auf dem Rücken. Obwohl mir zum Heulen war, freute ich mich unendlich, ihn zu guter Letzt wieder gefunden zu haben.
Mein geliebter Bruder klammerte sich mit aller Kraft fest und drückte das tränennasse Gesicht gegen meine Brust. Ich weinte leise mit ihm. Wie oft hatte ich mir das Wiedersehen mit ihm ausgemalt... dass es jedoch so aussehen sollte, hätte ich nicht im Entferntesten gedacht. Wir waren wieder vereint – und doch weiter voneinander entfernt als je zuvor.
„Wein‘ du nur“, flüsterte ich und strich ihm sanft über das lange, schneeweiße Haar. „Wein‘, solange du willst.“
„Es tut mir so leid“, schluchzte Rob fast unverständlich. Sein ausgemergelter Körper zitterte wie Espenlaub. „Aber ich konnte nichts dagegen machen. Es war stärker als ich...“ Er suchte meinen Blick. Seine blauen Augen funkelten. „Kannst du mir vergeben?“
„Vergeben? Wofür?“ Ich drückte ihn nur noch fester an mich. „Du kannst nichts dafür, genau so wenig wie ich. Das Schicksal wollte uns hier haben. Und hier sind wir nun. Der Rest ist nicht mehr wichtig. Hauptsache, ich habe dich gefunden.“
„Du musst fort“, wisperte Rob, als befürchtete er, belauscht zu werden. „Schreckliche Dinge geschehen hier.“
„Ich gehe nicht ohne dich. Und auch nicht ohne Krister und Luke.“
Rob sah mich entsetzt an.
„Krister ist auch hier? Wo ist er? Ihr müsst fort, so schnell wie möglich. Ihr seid hier nicht sicher.“ Einen Augenblick sah es so aus, als bräche er zusammen. „Ich kann nicht mehr stehen...“
Ich half ihm sich zu setzen. Umständlich und schwer atmend kam mein Bruder zur Ruhe.
„Wie hast du mich erkannt? Wie kommt es, dass du nicht überrascht bist zu sehen, was aus mir geworden ist?“
„Ich hatte bereits eine nette kleine Unterhaltung mit einem charmanten Zeitgenossen, ich nehme an, du kennst ihn auch.“
„Cantrell!“ knurrte Rob. Seine Wut war die alte geblieben.
„Genau der.“
„Cantrell ist das mieseste Schwein, das ich je kennen lernen musste.“ Rob spuckte verächtlich aus. „Er ist schuld an dem ganzen Unfrieden in dieser Welt. Wenn ich ihn nur unschädlich machen könnte!“
Wenn mich augenblicklich irgendetwas wenig interessierte, war es Cantrell. Ich hatte meinen Bruder wieder gefunden, mehr zählte nicht. Tausende Fragen lagen auf der Zunge und ich wusste, Rob ging es ebenso. Doch spielten sie zunächst nur eine untergeordnete Rolle.
„So schön dich zu sehen, Jack“, sagte Rob.
Ich nickte wortlos.
„Wie konnte es so weit kommen? Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich den Tag verflucht habe, an dem wir auf Radan gestrandet sind. Damit begann der ganze Schlamassel.“
„Radan...“ murmelte ich. „Es ist noch nicht lange her und doch fühlt es sich an, als seien Jahre vergangen.“
„Jahrzehnte sind vergangen, sieh mich nur an!“ brach es aus Rob hervor. „Seit ich mich auf dieser verfluchten Insel befinde, altere ich im Minutentakt. Ich hasse es! Ich hasse es so sehr! Von dem Moment an, an dem ich erfuhr, meinen Körper mit einem Opreju zu teilen, denke ich an Selbstmord. Aber es funktioniert nicht. Das andere in mir ist zu stark. Es spürt die Gefahr, die von mir ausgeht und schaltet meinen Willen nach Belieben an und ab.“
Oh, wie sehr ich meinen Bruder verstand!
„Ich weiß wie du dich fühlst. Mir geht es ähnlich. Ich nehme an, du weißt um den Ermeskul in mir?“
Rob nickte. Schwarze Tränen troffen plötzlich aus beiden Augen. Ich zwang mich, sie zu ignorieren.
„Ja, Cantrell erzählte davon. Stundenlang musste ich sein irrsinniges Gewäsch anhören über seine Vorstellungen von der Zukunft dieser Welt und was er nicht alles in den letzten Jahrhunderten getan hat, um das Überleben der Menschheit zu sichern.“
„Dann bist du vielleicht selbst schon zu dem Schluss gekommen, dass Radan passieren musste? Wir hätten nichts dagegen tun können. Seit dem Tag unserer Geburt ist bestimmt, was mit uns
Weitere Kostenlose Bücher