Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Alltägliches dar, als beschäftigte er sich ständig in Gedanken damit. Wieder etwas, das mich abstieß. Er sah mich abwägend an, womöglich um herauszufinden, wie seine Worte wirkten. Doch ich verzog keine Miene, als wartete ich auf mehr. Und er sollte mich nicht enttäuschen.
„Soweit ich verstanden habe, besteht meine Aufgabe im Wesentlichen nur darin, das Boot wieder zurückzubringen. Das gedenke ich zu tun. Warum sollte man mich dafür ächten oder ausstoßen? Selbst wenn“, und er machte sich keine Mühe, den Spott in der Stimme zu verbergen, „es ängstigt mich nicht im Geringsten.“ Doch mit dem Spott kehrte auch unüberhörbar die Schwermut zurück. Konnte man guten Gewissens alles auf das Trauma des frühen Verlustes der leiblichen Eltern zurückführen? Etwas anderes erschien mir unwahrscheinlich. Stellte Todessehnsucht seine Triebfeder dar? Hieß er die Möglichkeit willkommen, auf der Tethys oder irgendwo in Laurussia sein junges Leben zu verlieren? Das war wohl absurd. Wenn er sich wirklich nach dem Tod sehnte, gäbe es unzählige Möglichkeiten, sich hier in Stoney Creek das Leben zu nehmen, warum also dazu in die Ferne ziehen?
„Ich werde darüber nachdenken“, schloss ich unser Gespräch.
Luke sah mir noch einmal unverblümt in die Augen, ein beinahe starrer Blick, als duldete er keine Widerrede. Dann setzte er ein lässiges Lächeln auf und meinte: „Ich bin bereit. Wenn du es auch bist.“
„Davon kannst du ausgehen.“ Ich reichte ihm die Hand zum Abschied. Er ergriff sie ohne zu zögern. Dann wandte er sich zu Krister um, der ihm auf die Schulter klopfte, nickte ihm zu und machte sich in Richtung Küste auf den Weg. Krister und ich sahen ihm eine ganze Weile nach. Luke warf keinen Blick mehr zurück.
„Er ist und bleibt ein ungewöhnlicher Bursche“, resümierte ich endlich.
Krister nickte zustimmend.
„Daran hat sich nichts geändert. Ich habe gelernt, ihn anzunehmen, wie er ist. Aber du kann dich felsenfest auf ihn verlassen. Das ist seine beste Eigenschaft. Du hast aber auch ganz schön dick aufgetragen, Jack.“
„Ja, vielleicht. Kannst du mir sagen, warum Lukas sein Haar immer so kurz geschnitten trägt? Es sieht so albern aus.“ Ich hatte es eigentlich nicht erwähnen wollen, tat es aber dennoch.
„Er heißt Luke“, verbesserte Krister geduldig.
Ich quittierte diesen Einwurf mit leicht angesäuertem Blick.
„Wer schneidet ihm denn ständig das Haar? Er sieht immer aus wie ein geschorenes Schaf.“
Krister neigte den Kopf leicht zur Seite. Ein kurioser Ausdruck spielte um seine Lippen.
„Ich weiß nicht, warum dich das interessiert, aber gut. Luke ist sein eigener Bader.“
„Sehr ungewöhnlich“, fand ich.
„Ja, nicht allgemein üblich. Nichts Außergewöhnliches mehr für mich. Ganz im Vertrauen, Jack, du hättest auch mal wieder einen Haarschnitt nötig.“
Ich lachte.
„Nein danke. Reine Zeitverschwendung. Sollte mich mein Haarwuchs irgendwann unterwegs stören, kann ich ja Lukas bitten, mich davon zu befreien.“
Krister kniff das rechte Auge zu.
„Auch wenn du es geschickt verbirgst, Jack, ich erkenne die Ironie in deiner Stimme sehr wohl.“
Mit dem Anflug eines Grinsens erwiderte ich: „Fühlst du dich wirklich noch immer für ihn verantwortlich? Er wirkt so selbstsicher und… ja, irgendwie so, als benötigte er eigentlich keinen Aufpasser mehr.“ Blitzschnell wechselte ich das Thema und erwischte Krister eiskalt. „Was ist eigentlich mit Sava?“
Die Antwort kam viel zu schnell.
„Sie weiß, wie wichtig es ist, Rob zu finden. Sie würde sich niemals zwischen ihn und mich stellen. Rob benötigt meine Hilfe, Sava versteht das.“ Der Blick zu Boden verriet die Unaufrichtigkeit. „Glaubst du, du könntest es mit Luke versuchen? Wenn ich nicht genau wüsste, es ihm zutrauen zu können, bliebe er hier. Ich hatte auch schon an Scott gedacht, aber er hat genug damit zu tun, seine eigene Familie durchzubringen. Außerdem weiß ich, wie sehr er das Tabu fürchtet.“
Wie schnell Krister das Thema gewechselt hatte.
„Ich habe gar keine andere Wahl, oder? Eigentlich bin ich dir ja sogar dankbar, immerhin stammt die Idee von dir. Ich gebe zu, es ist mir erheblich wohler bei dem Gedanken, das Boot nicht zu entwenden sondern nur für einen gewissen Zeitraum auszuleihen. Ich weiß doch selbst sehr wohl, wie gut Lukas… also gut, Luke, mit einem Segler umgehen kann.“
Da beschloss ich, das Wagnis einzugehen und ihn mitzunehmen.
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