Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Spätestens nach der Ankunft in Hyperion würde er das Boot übernehmen und alleine nach Stoney Creek zurücksegeln, sollten wir Rob dort nicht auffinden und seine Verfolgung zu Fuß aufnehmen müssen. Überraschend schnell schien nun alles geklärt. Es gab keinen Grund, noch länger zu zögern.
Wir warteten Westwind ab, der nicht allzu lange auf sich warten ließ. Am Vorabend des letzten Tages des vierten Monats im Jahre 622, dem 40. April, legten Krister und ich die Abreise auf den kommenden Morgen fest, den 1. Mai. Ebros, einer der beiden Monde Gondwanas, prangte am nächtlichen Himmel wie ein riesiges Rad aus gelbem Käse. Keine Wolke zeigte sich. Die helle Aura des Trabanten überstrahlte jeden Stern in seiner unmittelbaren Nähe, die ersten Sternbilder, die ich ausmachte, befanden sich nahe am Horizont. Einst wusste ich ihre Namen, doch irgendwann waren sie mir entfallen. Ob es sich bei einem dieser vielen Lichtpunkte um Pangäa handelte?
Krister verbrachte die letzte Nacht verständlicherweise mit Sava. Luke würde damit zu tun haben, sein Bündel für die Reise zu schnüren. Nur ich wusste nicht genau, wohin ich sollte. Ich verspürte kein sonderliches Verlangen, nach Hause zurückzukehren, um meinem Vater ins Gesicht zu lügen. Mein Verschwinden gegen seinen ausdrücklichen Wunsch würde ihn morgen genauso in Rage bringen wie etwaige vorweggenommene Ehrlichkeit am Abend zuvor. Also wollte ich es ihm gar nicht sagen. Meine Sachen waren bereits gepackt, alles was es noch zu tun gab, war, sie aus der Kammer zu holen. Natürlich wollte ich mir noch eine ordentliche Mütze Schlaf gönnen, immerhin würde ich für die kommende Zeit auf ein weiches Bett verzichten müssen. Dennoch zögerte ich, zeitig heimzukehren.
Ich wartete den Einbruch der Nacht ab und stahl mich dann wie ein Einbrecher ins Haus. Erwartungsgemäß war Vater wie immer früh zu Bett gegangen. Kein Laut war vernehmbar, als ich die knarzende Stiege nach oben in meine Kammer nahm und die Türe leise hinter mir schloss. Im Schein einer Kerze überprüfte ich abschließend das Gepäck, welches mir erneut zu schwer vorkam. Daraufhin entfernte ich die zweite Garnitur Hosen und eines der drei Ersatzhemden. Dafür verstaute ich zwei weitere Feuersteine, eine zusätzliche Fackel, ein paar Meter Seil. Tief in Gedanken versunken nahm ich auf dem Bett Platz, prüfte ein weiteres Mal die neue Sehne des Bogens und steckte noch zwei frisch gefertigte Pfeile in den Köcher. Alles was ich auf die große Reise mitzunehmen gedachte, passte entweder in den Rucksack oder ließ sich zumindest an ihm befestigten. Es erschien mir wichtig, stets beide Hände freizuhaben.
Hellwach legte ich mich endlich aufs Bett. Aufregung breitete sich warm im Magen aus. Schwere Gedankentiefe ließ mich aber nicht zur Ruhe kommen. Die letzte Nacht im eigenen Bett versprach keine erholsame zu werden. Irgendwie muss es mir dann doch gelungen sein, einige wenige Stunden Schlaf zu finden, denn als ich die Augen aufschlug, zwitscherten bereits die ersten frühen Vögel. Kühler Wind drang durch das Fenster und spielte sacht mit dem leichten Stoffvorhang. Der Raum lag noch in tiefer Dunkelheit. Mit einem Ruck war ich wach, sprang aus dem Bett und warf einen Blick nach draußen. Über den Hügeln im Osten machte sich bereits der ersten Schimmer des beginnenden Tages bemerkbar. Bevorstehender Abschied erfüllte mein Herz mit einer berauschenden Mischung aus dumpfer Wehmut und pulsierender Erregung, von der ich nicht wusste, ob sie mir gefiel oder nicht. Jetzt, so unmittelbar vor dem Aufbruch, wünschte ich mir, meinen Vater eingeweiht zu haben. Das Wissen, es ihm sowieso nicht begreiflich machen zu können, tröstete über den Anflug von Sentimentalität hinweg.
Rasch kleidete ich mich an, rollte die Decke zusammen und machte sie an der Unterseite des Rucksacks fest, den ich zusammen mit Bogen und Köcher anlegte. Nicht eben wenig Gewicht, das ich auf dem Rücken zu transportieren gedachte. Mein Blick fiel auf den eisernen Stab. Sollte ich oder sollte ich mich nicht mit ihm belasten? Als Schlagwaffe war er ideal, keine Frage. Womöglich leistete er noch gute Dienste, wer wusste schon, was vor uns lag? Allerdings würde ich ihn ständig in der Hand tragen müssen. Doch da es sich um ein Leichtgewicht handelte, fällte ich kurzerhand den Entschluss, ihn mitzunehmen. Sollte er hinderlich werden oder sich als wenig nützlich erweisen, konnte ich ihn überall zurücklassen.
Ungefrühstückt
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