Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Fahrtwind?
Die Reste vom Vorabend reichten nicht aus, die Mägen dreier erwachsener Männer zu füllen. Wir beschlossen deshalb, den Tag ausklingen zu lassen und an Land zu gehen und den Fisch zu verwerten.
Unterdessen hatte sich Aotearoa spektakulär verändert. Obwohl ich noch nie im Leben diesen Teil meiner weiten Heimat gesehen hatte, wusste ich doch, wo ich mich befand. Wir hatten unverkennbar Ergelad erreicht, das Hügelland zwischen Lake Sawyer und den Kupferbergen.
Vom Meer aus bot sich uns ein faszinierendes Naturschauspiel. Das der See zugewandte Bergland präsentierte sich in glanzvollen Rottönen, das kurzzeitige Geschenk eines farbenprächtigen Sonnenuntergangs. Die Küstenlinie erinnerte wieder mehr an Avenors Norden, wild zerklüftet, felsig, von kleinen strandlosen Buchten durchzogen.
In eine dieser Buchten steuerte ich das Boot auf der Suche nach einer geeigneten Anlegestelle. Es boten sich einige Möglichkeiten, die mir allerdings nicht sicher genug erschienen. Ich verwarf sogar einen kanalartigen Einschnitt, der wie aus dem Fels herausgehauen wirkte und regelrecht zum Festmachen einlud. Zu riskant! Freilich hätte sich das Boot dort vertäuen lassen, sogar von zwei Seiten. Dennoch fürchtete ich die Gefahr zunehmenden Wellengangs, vor allem bei der gegenwärtig unsicheren Wetterlage. Ein paar hohe Wogen würden genügen, um das kleine Boot – festgezurrt oder nicht – gegen die Felsen zu schleudern. Am liebsten hätte ich es wie sonst einen sicheren Strand hochgezogen. In dieser Hinsicht zeigte sich Ergelad jedoch von seiner sparsamen Seite.
Allmählich drängte es. Die Nacht brach an und wir hatten noch nicht einmal Holz fürs Feuer gesammelt, geschweige denn einen Lagerplatz gefunden. Meine Unentschlossenheit stellte die Geduld der hungrigen und müden Gefährten auf eine harte Probe.
„Was war an dem Platz eben nicht in Ordnung, Jack?“ fragte Krister gereizt. Er hatte sich lange zurückgehalten und machte endlich seinem Unmut Luft.
„Der Kanal? Nein, viel zu eng. Ein paar hohe Wellen würden ausreichen, um das Boot an den Felsen zerschellen zu lassen.“
„Aber doch nicht wenn wir es ordentlich vertäuen“, widersprach mein Freund. „Außerdem sieht es nicht nach Sturm aus. Wieso sollte der Wellengang zunehmen?“
„Ich bin eben vorsichtig“, verteidigte ich mich schwach. „Nicht auszudenken, wenn dem Boot etwas passierte.“
Womöglich hatte Krister aber Recht. Der Kanal verlockte in der Tat zum Anlegen. Eine bessere Alternative würde sich angesichts der fortschreitenden Dämmerung wahrscheinlich auch nicht finden lassen. Ich lenkte schließlich ein. Im Dunkeln irgendwo zu landen behagte mir noch ein ganzes Stück weniger. Krister nickte beipflichtend als ich wendete und das Boot mit gerefftem Segel und unter Zuhilfenahme der Ruder in die schmale Rinne manövrierte. Sorgfältig machten wir es an zwei Seiten fest. Es bedurfte schon wirklich eines Unwetters, um es loszureißen. Einigermaßen beruhigt ließ ich es leise schaukelnd zurück.
Etwas höher gelegen stieß Luke auf der Suche nach essbarem Grünzeug auf einen dicht mit Moos bewachsenen Felsvorsprung. Einen besseren Schlafplatz konnten wir uns nicht wünschen. Das weiche Moos bildete eine ideale Unterlage, bequemer noch als Sand. Einen Nachteil jedoch galt es hinzunehmen: Von dort aus gab es keine direkte Sicht auf das Boot. Die Felsen, die es an drei Seiten umgaben, versperrten jeden Blick. Ich war jedoch bereit, auch diesen Umstand hinzunehmen. Bei der augenblicklichen Bewölkung versprach die Nacht sowieso eine tiefdunkle zu werden. Selbst wenn ich direkt davor säße, würde ich das Boot nicht mehr sehen können. Es war also müßig, sich darüber Gedanken zu machen.
Wir brieten jeden einzelnen der gefangenen Fische und aßen hemmungslos. Luke hatte die silbrigen Bäuche mit frischen Kräutern gefüllt, was ihren Geschmack noch verfeinerte. Was nicht sofort in unseren Mägen landete, verschwand als Vorrat für den morgigen Reisetag in den Rucksäcken. Wohl genährt und hundemüde legten wir uns nieder. Das Lagerfeuer brannte leise knisternd herunter und erlosch.
Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ich hätte schwören mögen, Kies unter besohlten Schuhen knirschen zu hören. War es dieses Geräusch gewesen, das mich hatte hochschrecken lassen?
Ich lauschte.
Nichts außer dem sanften Lied des Windes und dem ewigen Rauschen der niemals ruhenden See. Mein himmelwärts gerichteter Blick fand nur
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