Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
meinte Weihrauch zu riechen und fragte mich, ob mir gleich der Tod bevorstehen würde.
Man brachte mich in einen Raum, dessen Wände aus Marmor gefertigt waren. Obwohl Neugierde mich erfasst hatte, vermochte ich nicht, meinen Kopf zu heben, um zu sehen, wo ich mich befand.
Ich vermutete ein Krankenlager, doch ich irrte mich. Dies hier war immer noch der Kerker. Eine ganz besondere Kammer des Kerkers.
Die Männer hoben mich nun von der Trage und schleppten mich zu einer der Wände, an die Ketten angebracht waren. Mehrere Fackeln warfen ihr Licht auf einen Altar in der Mitte. Auch wenn mein Blick durch Schmerzen und Schwäche getrübt war, konnte ich erkennen, dass die Ornamente im Stein mit Blut nachgezogen waren. Das musste der Opfertisch für den Geist des Kerkers sein!
Man legte mich trotz meiner Schwäche in Ketten. Dann verließen die Männer den Raum. Auch der Fremde in den blauen Kleidern ging.
Vor Schmerzen halb wahnsinnig und vor Todesangst zitternd erwartete ich den Geist, von dem die Gefangenen gesprochen hatten. Welches Wesen würde mein Blut auf dem teuflisch anmutenden Altar vergießen, als Opfer für den Sieg der Ungläubigen?
Ein plötzliches schabendes Geräusch ließ meine Angst zuungeahnter Intensität anwachsen. Ich betete leise, empfahl dem Herrn meine Seele, damit wenigstens sie gerettet werden würde.
Als ich aufblickte, erkannte ich, dass sich eine der Wände beiseiteschob. Wenig später erschien eine weiße Gestalt. Sie war durch und durch weiß, ihre Haut ebenso wie ihr Haar und ihr Gewand. Von Weitem hätte man sie für eine Greisin halten können, doch sie hatte das Gesicht einer Frau, die höchstens zwanzig war. Mit seltsam fließenden Bewegungen kam sie auf mich zu, sodass ich erkennen konnte, dass ihre Augen die Farbe der Lavendelfelder meiner Heimat hatten.
Ihr Gesicht, obwohl jugendlich, wirkte wie aus Stein gemeißelt. Sie musterte mich einen Moment lang teilnahmslos, dann streckte sie die Hand nach meinen Wunden aus. Mühelos riss sie die Bandagen auseinander und öffnete mit ihren spitzen Nägeln eine der Verletzungen. Ich schrie auf, als sie den Finger hineintauchte und dann wieder hervorzog.
In meinem Schmerz bemerkte ich zunächst nicht, dass sie sich das Blut vom Finger leckte. Als sie sich vorbeugte, sah ich das Rot auf ihren Lippen und ein unaussprechliches Grauen erfasste mich.
›Du bist stark, Franke‹, sagte sie. ›An Verletzungen wie diesen wären andere gestorben. Doch du nicht. Ich spüre einen unbändigen Lebensfunken in dir. Du wärst stark genug für die Ewigkeit.‹
›Weiche von mir, Satan!‹, schmetterte ich ihr entgegen, doch das reizte sie nur zum Lachen.
›Der Satan bin ich ganz sicher nicht. Ich bin die Tochter einer Göttin, getauft mit ihrem Blut. Ich kann dir ein Leben schenken, wie du es dir nur erträumen kannst.‹
Davon wollte ich nichts hören. Ich war sicher, dass sie mir die Seele herausreißen und sie in den Schlund der Hölle zerren würde. Die Gestalt kam nun so dicht an mich heran,dass ich das Blut, das sie geleckt hatte, in ihrem Atem riechen konnte.
›Du hast die Wahl. Entweder ein Leben in beinahe ewiger Jugend oder den sofortigen Tod. Ich kann nicht erlauben, dass du mit dem Wissen um mein Geheimnis am Leben bleibst. Wenn du dich für mich entscheidest, dann werden dir die Fesseln abgenommen und deine Wunden gesalbt. Du wirst lernen ein Schattenkämpfer zu werden. Tust du es nicht, nehme ich dein Blut gleich, dann wirst du sehen, wo deine kostbare Seele bleibt.‹
Für einen kurzen Moment war ich versucht, den Tod zu wählen. Doch dann dachte ich wieder an meine Heimat. An das Mädchen, das ich zurückgelassen hatte.«
»Du hattest ein Mädchen?«, fragte ich verwundert.
»Ja, sie hieß Elise.« Während Gabriel kurz auf seine Hände schaute, zog ein wehmütiges Lächeln über sein Gesicht. »Ich hatte vor, ihr den Hof zu machen, sobald ich älter war.«
»Und warum bist du nicht bei ihr geblieben?«
»Weil ich etwas aus mir machen wollte. Nachdem ich gehört hatte, dass viele Männer im Heiligen Land reich wurden, wollte auch ich als gemachter Mann zurückkehren und sie erst dann zur Frau nehmen. Ich wollte ihr ein Leben in Reichtum bieten.«
Genauso hatten auch einige Männer bei uns in den Nordlanden getönt, wenn sie um eine Frau warben. Meist hatten sie aber das Nachsehen gehabt, denn während sie versuchten Ruhm oder Reichtum anzuhäufen, kamen andere und freiten ihre Auserwählten. Den Frauen war es lieber
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