Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
geheimnisvoll.
»Es ist Gesetz, dass die neue Auserwählte, die eine Lamie werden soll, nicht vom ersten Kind der früheren Lamie ausgebildet werden darf. Sayd erhielt die Gabe als Erster, weshalb er unser Anführer ist. Ashala hat selbst bestimmt, dass er derjenige sein soll, der die Anwärterinnen testet, aber nicht ausbildet. Und was den Geist des Kerkers angeht, du sollst der nächste sein. Wenn du die Prüfung überstehst, wirst du Ashalas Platz einnehmen.«
Der Wind strich durch mein Haar, während ich zu den verblassenden Sternen aufblickte. Von Weitem meinte ich das Rauschen des Meeres zu vernehmen.
Gabriels Geschichte hatte mein Innerstes aufgewühlt wie ein Sturm das Wasser eines Sees. An Schlaf war nicht zu denken, also setzte ich mich auf die kleine Bank vor dem Haus und blickte auf die Gestirne über mir.
Sollte es das, wovon Gabriel berichtet hatte, wirklich alles geben? Unsterbliche Kämpfer, eine Göttertochter, die ihre Gabe weitergeben kann ...
Ich war noch immer zu schockiert, um vollständig zu realisieren, was ich gehört hatte. Eines wusste ich jedoch:Gabriel war der lebende Beweis für die Richtigkeit seiner Worte. Ebenso wie Sayd.
Hätte ich an Gabriels Verwandlung vielleicht noch zweifeln können, war ich bei Sayd sicher, dass er kein gewöhnlicher Mann mehr war. Die Erinnerung an seine Berührungen ließ mich erschaudern.
Angst ergriff mich plötzlich. Angst vor dem, was mich erwartete. Doch hatte ich eine Wahl? Ich hatte meine Heimat und meine Familie verloren, und wenn ich ehrlich war, regten sich Gefühle für Gabriel in meinem Herzen. Gefühle, die ich noch nie einem Mann entgegengebracht hatte und die mich wünschen ließen, länger in seiner Nähe zu bleiben.
Als sich der Morgenhimmel rötete, stand meine Entscheidung fest. Gabriel schien das zu spüren, denn er trat hinter mich.
Meine Nackenhaare sträubten sich, als ich merkte, dass er eine Waffe trug.
»Wer war dein letztes Opfer?«, fragte ich, denn darüber hatten wir bisher nicht geredet. Einen Moment lang zweifelte ich, ob er es mir erzählen würde, doch dann kam mir wieder in den Sinn, dass er nichts zu verlieren hatte. Weigerte ich mich, der Bruderschaft beizutreten, würde er mich töten – trat ich bei, wäre ich durch meine Gabe zum Stillschweigen verpflichtet.
»Der Kaufmann, von dem Chaim gesprochen hat«, antwortete Gabriel, wobei sich seine Stimme merkwürdig gefühllos anhörte.
»Hatte er es verdient?«
»Das weiß ich nicht«, gab er zu. »Als wohlhabender und einflussreicher Mann war er meinem Herrn ein Dorn im Auge. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, zu fragen, wer er wirklich war. Das hätte die Sache nur erschwert.«
Daraufhin nickte ich nur, denn ein Kloß in meiner Kehlenahm mir für einen Moment die Stimme. Tränen stiegen in mir auf. Ich mochte Gabriel und nie hätte ich ihm zugetraut, kaltblütig töten zu können.
»Wenn es dich beruhigt, ich habe ihm einen schnellen und gnädigen Tod geschenkt. Das war das Einzige, was ich tun konnte.«
Und diesen würde er mir ebenfalls schenken … Noch immer konnte ich nichts sagen.
»Die anderen finden, dass ich zu gutherzig sei. Mir tut es um jedes Leben leid, das ich verschwenden muss, wenngleich ich weiß, dass ich keine andere Wahl habe. Der Gedanke, eine Frau zur Witwe und ein Kind zur Halbwaise gemacht zu haben, verfolgt mich noch immer in meinen Träumen.«
»Du hättest sie ebenfalls töten können«, entgegnete ich und zog die Nase hoch. Die Tränen wischte ich mir aber nicht von den Wangen.
»Nein, ich töte niemanden, den ich nicht töten soll.«
»Und wenn sie dich gesehen hätten?«
»Sie haben mich nicht gesehen«, gab Gabriel zurück. »Auch diesen Dienst erweise ich dem Toten. Seine Angehörigen sind bei mir nicht in Gefahr.«
»Es sei denn, dein Herr Malkuth fordert, dass du sie ebenfalls umbringst.«
Darauf schwieg Gabriel.
»Würdest du auch ein Kind töten, wenn Malkuth es verlangen würde?«
»Das würde er nie verlangen. Ihm ist nur daran gelegen, Männer aus dem Weg zu räumen, die der Entfaltung seiner Macht entgegenwirken.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, beharrte ich. »Würdest du auch ein Kind töten, wenn Malkuth es dir befiehlt?«
Gabriel zögerte einen Moment lang. »Vermutlich nicht.«
»Aber damit würdest du gegen die Gesetze deiner Bruderschaft verstoßen.«
»Wahrscheinlich, ja. Aber ein Kind würde ich nie töten.«
»Und was ist mit mir? Werde ich auch wahllos töten müssen, weil er
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