Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
Tochter zum Sohn zu machen, ihr alle Rechte einzuräumen und sie in die Kampfkunst einzuweihen war ungewöhnlich, doch mein Vater konnte es sich erlauben, denn er war der Herr über drei Schiffe und ein Stück Land zwischen den Fjorden. Er besaß genug Ruhm und Reichtum, um sich Fürst zu nennen und eine prachtvolle Halle zu bauen, den Mittelpunkt des Dorfes.
In diese große Halle kamen in jenem Sommer vor zehn Jahren drei braun gekleidete Wanderer.
Sie sprachen davon, uns den wahren Glauben zu bringen, und verlangten, dass wir unseren Göttern abschwören sollten.
Mein Vater lachte sie aus. Er fragte, was ihr einzelner Gott wohl mehr bewirken könne als unsere vielen Götter. Er würde sich doch gewiss nicht um alles kümmern können, denn unser Land sei groß und das Meer reich an Gefahren.
Die drei Priester nahmen seine Antwort mit mürrischen Mienen hin, unternahmen aber keinen weiteren Versuch, meinen Vater zu überreden. Da sie Ruhe gaben, wurden sie eingeladen zu bleiben. Einar Skallagrimm bewirtete sie und erlaubte ihnen, die Frauen anzugaffen.
Am nächsten Morgen zogen sie weiter, enttäuscht zwar, aber nicht feindselig.
In diesem Augenblick ahnte in unserem Dorf niemand, dass die Männer Masken getragen hatten, Masken aus falschem Lächeln, hinter denen sich das Böse verbarg. Nicht einmal mein Vater hatte sie zu durchschauen vermocht.
Das Leben ging weiter, schon bald waren die Besucher in Vergessenheit geraten. Der Sommer zog die Frauen in die Gärten und die Männer aufs Wasser.
Zwei Monde später kamen die Wanderer zurück. Doch diesmal kamen sie nicht allein. Ihr Gefolge bestand aus Kriegern, schwer bewaffneten Rittern, die, ohne ein Wort zu verlieren, über unser Dorf herfielen. Sie kamen nachts und begannen wahllos zu töten: Kinder, Greise, junge Männer, die nicht schnell genug ihr Schwert in die Hand bekamen. Sie schleiften die Frauen an den Haaren aus ihren Hütten, vergewaltigten sie und drohten sie ins Feuer zu werfen, wenn sie nicht unseren Göttern abschworen. Als die Krieger, die in der Nähe der Schiffe lagerten, ins Dorf stürmten, fanden sie Tote und Verwüstung vor. Vielen von denen, die sich den Eindringlingen wütend entgegenwarfen, wurden von deren Übermacht zermalmt.
Mein Vater musste eine Entscheidung treffen, und er traf eine, die in unserem Volk und von unseren Göttern keinesfalls als ehrenvoll angesehen wird.
Er beschloss, mit seinen verbliebenen Getreuen zu fliehen.
»Laurina, bleib dicht bei mir«, schärfte er mir ein. »Du bist die einzige Hoffnung für unser Volk. Du musst diejenige sein, die unseren Glauben weiterträgt.«
Ich wusste damals nichts mit diesen Worten anzufangen. Ich war nur ein Kind, dessen Herz vor Angst raste und das nicht wusste, was in den nächsten Stunden passieren würde.
Während wir zu den Schiffen flohen, griffen sie uns erneut an. Mein Vater unterrichtete mich schon eine Weile imSchwertkampf und wies mich an, mich zu verteidigen, wenn es sein musste.
Die Gelegenheit bekam ich. Einem Mann, der mich zwischen den Kämpfenden fortreißen wollte, stieß ich mein Schwert in die Seite. Mein Vater war es, der diesen Mann tötete und mich dann weiterzerrte.
Als wir endlich bei der Anlegestelle ankamen, mussten wir feststellen, dass zwei Schiffe bereits in Flammen standen.
Selbst mir wurde klar, dass die Priester und ihre Soldaten nicht vorgehabt hatten, uns wirklich zu bekehren. Mit dem Wissen, dass unsere Gemeinschaft sich nicht beugen würde, metzelten sie drauflos und benutzten die Wahl, vor die sie uns stellten, als Ausrede für ihr Tun. Vielleicht hofften sie, dass ihr Gott ihnen dann verzeihen würde, was sie taten.
Der Anblick unseres brennenden Dorfes, das am Horizont verschwand, verfolgte mich noch lange in meinen Träumen.
Auch jetzt, umspült von Wasser und unter einem tobenden Himmel, wollte er mir nicht aus dem Sinn.
Ich fragte mich, warum unsere Götter uns so lange hatten leben lassen, wo sie doch unser Scheitern nicht verhindern wollten.
Doch eine Antwort fand ich ebenso wenig wie die Kraft, mich weiter festzuhalten. Ich rutschte von dem glitschigen Mastbaum herunter und versank in der tosenden See.
2
A n diesem Morgen erwachte Gabriel mit dem Wissen, dass er einen Menschen töten würde. Es würde keine von Rachegelüsten und Bosheit geleitete Tat sein; er tötete, weil es seine Aufgabe war. Eine Aufgabe, die er nun schon seit einigen Jahren verrichtete, als Preis für die Gabe, die man ihm verliehen hatte.
Seinem
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