Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
später machten wir uns auf den Weg nach Alexandria, um Jared aufzusuchen.
»Er lebt hier in der Stadt?«, wunderte ich mich. So wie der Mann ausgesehen hatte, war er durch und durch ein Söldner und nicht dafür geschaffen, in der Stadt ein Unternehmen zu führen.
»Ja, denn er wollte sich nicht von seinem Geschäft trennen. Früher verfügte Alexandria über eine Bibliothek, in der das gesamte Wissen der Menschheit versammelt war. Sie wurde niedergebrannt, aber es geht das Gerücht um, dass immer noch einige Bücher und Schriftrollen in der Stadt versteckt sind. Wenn jemand auf alte Schriftrollen und die darin enthaltenen Kenntnisse versessen war, dann Jared.«
»Was für ein Geschäft betreibt er denn?«, fragte ich verwundert.
»Er hat eine Schreibstube, am dem anderen Ende der Stadt.«
»Eine Schreibstube? Ich denke, er ist ein Assassine.«
»Das stimmt, aber wie du auch von mir weißt, war jeder von uns, bevor er sich für die Bruderschaft entschied, ein normaler Mensch. Einige waren Soldaten, die nichts anderes als die Kasernen ihrer Herren kannten. Doch viele waren einfache Männer, die es in den Krieg gezogen hat. So auch Jared, der einem Wesir als Schreiber diente. Jetzt verdient er sich etwas Geld, indem er für die Leute in der Stadt Briefe anfertigt.«
Mit diesem Handwerk schien er recht gut zu verdienen, wie ich sehen konnte, als wir um die Ecke bogen. Jareds Haus war wesentlich größer als das von Chaim. Wie beinahe alle Häuser hier hatte es die Farbe des Sandes vor der Stadt angenommen. Über den Balkon in der oberen Etage wehte ein bunter Vorhang, offenbar zog es durch ein gegenüberliegendes Fenster. Gabriel band sein Pferd an einem Ring an und bedeutete mir dann einzutreten.
Ein seltsamer Geruch schlug uns entgegen. Er war nicht wirklich unangenehm, aber sehr süß und intensiv. Getrieben von der Frage, woher er wohl stammte, blickte ich mich in der Behausung um. Die Regale und Truhen wirkten wie in Chaims Haus, doch an einer Wand entdeckte ich etwas, das meine Neugier weckte.
Es war die Darstellung eines Mannes, der anstelle eines Menschenkopfes den eines wolfsähnlichen Tiers trug. Um die Hüften hatte er lediglich ein weißes Tuch geschlungen. In seinen Händen hielt er einen Stab und ein Kreuz, das einen Henkel hatte.
»Willkommen in meinem Haus, Gabriel«, holte mich eine Stimme aus meiner Betrachtung fort.
Jared wirkte ohne seine weißen Kleider fremdartig. Sein schwarzes Haar war noch immer zu Zöpfen geflochten, doch es glänzte, als sei es mit Öl bestrichen worden.
Das schmal geschnittene Hemd war rot und seine pludrigen Beinkleider schwarz. Um die Taille hatte er einockergelbes Tuch geschlungen. Die kleine Ausbeulung im Stoff konnte nur bedeuten, dass er einen Gegenstand an der Seite trug. Eine Waffe vielleicht?
Sein Gesicht wirkte über der dunkleren Kleidung bleicher, seine Augenlider hatte er mit einer schwarzen Paste bestrichen, die sie wie die leeren Augenhöhlen eines Totenschädels wirken ließen. Ich vermutete, dass es sich um Ruß handelte und dass diese Bemalung etwas mit seinem Gott zu tun hatte.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ihr so früh auftaucht«, sagte er, während er die Hände in einem Tuch abwischte, ohne die schwarzen Flecken an seinen Fingern wegbekommen zu können. »Ich denke, ihr wolltet kämpfen üben.«
»Was nützt eine gut geführte Klinge, wenn der Kopf hohl ist«, gab Gabriel zurück und zwinkerte mir zu, denn ich holte bereits tief Luft, um mich zu verteidigen. »Du sollst ihr unsere Sprache beibringen. Und wenn es geht, auch die Schrift.«
»Die Schrift? Ein Weibsbild, das schreiben kann! Das wäre ja noch schöner! Sie bringen uns allein schon durch ihr Geschwätz in Rage, wie kannst du wollen, dass sie alles, was sie in ihrem Kopf hat, auch noch aufschreibt!«
»Das Geschwätz einer Frau ist nicht schlimmer als das eines Mannes«, gab ich zurück. Ich konnte und wollte nicht hinnehmen, dass er so über mich sprach. »Glaub mir, ich kann das beurteilen, denn ich war jahrelang ausschließlich unter Männern.«
»Ha, auf den Mund gefallen ist sie nicht«, gab Jared zurück. »Sag, Mädchen, gibt es in deinem merkwürdigen Land überhaupt so etwas wie eine Schrift?«
»Wir schreiben Runen«, entgegnete ich unerschrocken. »Und ich wette, dass du keine von ihnen lesen kannst, so viele Schriften du auch schon kennen magst.«
Das war eine recht gewagte Wette, denn es war möglich,dass er schon einmal Runen gesehen hatte. Wir Nordmänner
Weitere Kostenlose Bücher