Sephira - Ritter der Zeit 1: Die Bruderschaft der Schatten (German Edition)
waren große Reisende, es gab Geschichten, dass es einige sogar bis ins Land der Tartaren und Araber geschafft hatten. Vielleicht hatten sie den Einheimischen sogar die Runen beigebracht.
Doch ich wollte nicht, dass er mich für dumm hielt.
Jared war für einen Moment sprachlos. Er wirbelte herum und verschwand hinter einem der Vorhänge.
»Habe ich ihn verärgert?«, fragte ich Gabriel, der belustigt feixte.
»Ich denke nicht. Aber er wird einen Beweis für deine Behauptung haben wollen.«
Tatsächlich kehrte Jared wenig später mit Papyrusrolle, Feder und Tinte zurück. Er räumte einen Tisch frei, indem er die darauf befindlichen Gegenstände einfach hinunterwischte, ohne darauf zu achten, wohin sie fielen. Dann breitete er die Rolle darauf aus.
»Zeig mir deine Runen. Wenn ich sie nicht entziffern kann, sollst du mir herzlich willkommen sein.« Er bedeutete mir, auf einem Schemel hinter dem Tisch Platz zu nehmen. Dann öffnete er das Tintenfass, steckte die Feder hinein und reichte sie mir. Ich ergriff das Schreibgerät und setzte die Spitze auf das Pergament. Dabei spürte ich Jareds Augen wie eine Hand in meinem Nacken.
»Auf ein Wort, mein Freund«, sagte Gabriel und bedeutete Jared, in eine andere Ecke des Raumes zu treten.
Der Gerufene löste sich nur widerwillig von seinem Platz. Mir auf die Hände zu starren, war für ihn offenbar interessanter.
»Was gibt es?«, flüsterte er meinem Retter zu, als die beiden in den Schatten eingetaucht waren. Seltsamerweise verfielen sie beim Sprechen nicht ins Arabische, sodass ich jedes Wort verstehen konnte.
»Weiß du, ob Sayd vor Kurzem einen Auftrag bekommen hat?«
Jared runzelte verwundert die Stirn. »Warum willst du das wissen?«
»Ich habe meine Gründe«, gab Gabriel vieldeutig zurück. »Hast du eine Nachricht für ihn ausgefertigt?«
Jared blickte zu mir. Ich tat so, als konzentrierte ich mich voll und ganz auf meine Runen, doch in Wirklichkeit spitzte ich genauestens die Ohren.
»Nein, den Auftrag hat er von Malkuth persönlich erhalten. Aber nichts, was in der Burg gesprochen wird, bleibt mir verborgen. Es heißt, dass sich Sayd auf den Weg nach Kairo gemacht hat.«
»Kennst du auch den Grund?«
»Er soll dort einen Mann töten, einen Vertrauten und Boten Saladins. Ich nehme an, dass dieser Mann dem Neffen des Sultans nahesteht. Vielleicht überbringt er ihm auch die Botschaft, Verstärkung zu schicken.«
Gabriel nickte und schlug seinem Freund dann auf die Schulter. »Vielen Dank.«
Dann blickte er zu mir herüber. »Was ist, hast du deine Runen fertig?«
Das hatte ich schon lange. Ich nahm die Schriftrolle und brachte sie Jared. Der entrollte sie, studierte die Zeichen und zog die Augenbrauen zusammen, sodass eine lange Falte seine Stirn teilte.
Ich wollte mich nicht zu früh freuen, doch die Ahnung, dass er tatsächlich nichts mit meinen Zeichen anfangen konnte, wuchs mit jedem Augenblick, in dem er schweigend auf das Pergament starrte.
»Es sieht aus, als sei ein Vogel über das Papier gelaufen. Oder mehrere Vögel. Einige mit unversehrten Füßen und auch ein paar Krüppel.«
Ich ließ mich von diesem Vergleich nicht provozieren.
»Du kannst es nicht lesen, habe ich recht?«
Jared kniff die Augen zusammen, drehte die Schriftrolle nach allen Seiten und war ganz offensichtlich zu stolz zuzugeben, dass er es nicht konnte.
»Aus wie vielen Buchstaben besteht denn deine Sprache?«
»Runen«, verbesserte ich ihn. »Und es sind sechzehn.«
»Ein Weib, das auch noch zählen kann«, bemerkte er beiläufig, während er noch immer zu versuchen schien, die Runen zu entziffern. »Wo würde die Welt nur hinkommen, wenn es mehrere davon gäbe!«
Ich blickte ungeduldig zu Gabriel, der verhalten vor sich hin feixte.
»Also gut, Mädchen, du hast gewonnen! Lies vor, was du hier geschrieben hast.« Er reichte mir die Schriftrolle zurück, behielt aber ein Auge darauf, und ich erkannte, was er vorhatte.
»Übersetzt heißt es so viel wie ›Thor, Sohn Odins, Herr über die Blitze und Wolken‹«, sagte ich also in Frankensprache.
Jared kratzte sich am Kopf, dann blickte er zu Gabriel.
»Ich muss zugeben, dass die Letzte nicht so klug war.«
»Lass das nicht Malik hören, er wird dir ein Ohr dafür abschneiden.«
»Nein, ich meine es im Ernst«, gab Jared zurück. »Khadija war ein nettes Mädchen, das unsere Sprache beherrschte und keinesfalls auf den Kopf gefallen war. Aber diese hier ist nicht nur eine Kriegerin, sondern auch ein
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