Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
Großmutter und meine Schwester leben ebenfalls hier.«
»Und Eure Mutter?«, fragte ich.
»Sie ist bei der Geburt meiner Schwester gestorben. Glücklicherweise war noch Zeit, um ihr das Consolamentum zu spenden und es war auch nicht nötig, dass sie die Endura durchleiden musste.«
Ich brannte darauf, zu erfahren, was es mit diesen beiden Begriffen auf sich hatte! Doch zunächst meldete sich Gabriel zu Wort. »Fürchtet Ihr Euch nicht vor Repressalien, wenn Ihr offen Eure Riten praktiziert?«
Eine Falte grub sich zwischen Giselles Augenbrauen. »Als Carcassonne fiel und auch Montsegur geschleift wurde, war ich noch nicht auf der Welt. Meine Großmutter berichtete davon, sie hat es mit eigenen Augen gesehen und das große Glück gehabt, mit dem Leben davonzukommen. Meine Familie lebt schon sehr lange in dieser Stadt, müsst Ihr wissen. Das schützt uns allerdings nicht vor Nachstellungen. Dennoch praktizieren wir unsere Riten, denn sie werden uns das Seelenheil bringen.«
»Wo liegt Montsegur?«, fragte Sayd und hob seinen Becher an die Lippen.
»Die Feste ist nicht weit von hier entfernt. Man hat unsere Glaubensbrüder dorthin gebracht und hingerichtet, bevor man die Burg geschleift hat.«
»Was genau ist anders an Eurem Glauben als an dem der Christen?«, fragte ich neugierig, bereute es aber schon im nächsten Moment, als ich sah, dass Giselle zitternd ihren Becher abstellte. Wir bedrängten sie dermaßen mit Fragen, dass sie vielleicht den falschen Eindruck von uns gewann.
»Laurina weiß ebenso wie wir nicht viel über Eure Riten«, warf Gabriel rasch ein, der offenbar auch erkannte, dass ihre Unruhe von plötzlichem Misstrauen hervorgerufen wurde. Immerhin hatte Sayd angedeutet, etwas über den Glauben der Katharer zu wissen. »Während unseres Aufenthaltes in Garnata, das die Christen Granada nennen, haben wir einen Reisebericht gelesen, doch er war recht lückenhaft.«
»Wir wollen Euch nicht bedrängen«, setzte Sayd hinzu. »Doch für uns, die wir alle verschiedenen Religionen angehören, wäre es sehr interessant, von einer weiteren zu erfahren.«
Giselle sah uns überrascht an. »Eure Begleiter sind auch keine Christen?«
»Ich bin einer«, antwortete Gabriel. »Aber glaubt mir, ichlebe schon lange mit Menschen anderer Religionen zusammen und hege keinerlei Vorurteile. Die Taten sind es, nach denen ich die Menschen beurteile.«
Das Gesicht der jungen Frau begann zu glühen. Sie schien heftig mit sich zu ringen.
»Ich selbst bete zu Allah«, erklärte Sayd und deutete dann auf Jared und mich. »Diese beiden dort beten gar zu Göttern, die bereits von ihren eigenen Völkern vergessen wurden.«
Giselle kaute kurz auf ihrer Unterlippe, dann sagte sie mit Blick auf Jared: »Eigentlich hat es mir mein Vater verboten. Gleichwohl heißt es bei uns, dass wir versuchen sollen, Unwissenden den Weg zu unserem Glauben zu öffnen. Da Ihr Euch mir geöffnet habt, sehe ich keinen Grund, Euch nicht von meinem Glauben zu erzählen.« Sie blickte kurz auf den Tisch, dann sah sie uns reihum an.
»Wir nennen uns die wahren Armen Christi. Die Christen nennen uns Katharer.«
»Die Reinen«, murmelte Jared.
Giselle nickte. »Wir glauben an Gott und Jesus und streben danach, im Laufe unseres Lebens zu einem Parfait, zu einem perfekten Menschen, zu werden, der frei von aller Sünde ist.«
»Das klingt für mich nicht anders als das Christentum«, bemerkte Jared. »Jedenfalls das Christentum, wie es sein sollte. Worin besteht der Unterschied?«
Das Mädchen faltete zitternd seine Hände. Ich spürte, dass sie uns noch nicht ganz vertraute. Andererseits hatte sie ohnehin schon zu viel gesagt ...
»Im Gegensatz zu den Christen glauben wir nicht, dass die Erde von Gott geschaffen wurde. Wir glauben, dass der Teufel sie gemacht hat, wie alles, was auf Erden wächst und wandelt. Als er uns schuf, zwang er die Seelen von Engeln in unsere Körper, und um uns davon zu befreien, müssen wirvor unserem Tod den Zustand höchster Reinheit erlangen. Erst dann kann unsere Engelseele wieder zu Gott zurückkehren.«
Dass Teufel die Erde geschaffen haben sollen, hätten nicht einmal wir geglaubt. In allen Religionen, die ich bisher kennengelernt hatte, waren Götter die Schöpfer gewesen. Kein Wunder, dass die Christen bestrebt waren, diesen Glauben, der ihre eigene Schöpfungsgeschichte umkehrte, auszumerzen.
»In einer der Gassen haben wir eine Frau gesehen, die einen Mann gesegnet hat«, begann ich, um die unangenehme
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