Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
»Wir wollen uns doch nicht mit ihnen anlegen, oder?«
Sayd schüttelte den Kopf, und ohne die Leute noch einmal anzusehen, ging er voraus zu den Pferden.
David blickte vom Fenster aus nachdenklich auf das Meer, über dem sich der erste Silberstreif des Morgens abzeichnete. Saul und die anderen schnarchten auf ihrem Lager vorsich hin, doch er fand keinen Schlaf. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu den Gegenständen in seiner Tasche. Und zu jenem Tag, an dem seine Familie ausgelöscht worden war.
Auch nach mehr als hundert Jahren hatte er ihre Gesichter noch deutlich vor sich, doch er sah sie nicht als Tote, sondern so, als hätte er sich gerade erst von ihnen verabschiedet, um in die Stadt zu gehen.
Die kleine Rahel zerrte ihre Stoffpuppe hinter sich her, während ihre ältere Schwester Sarah sich von ihrer Mutter das Haar flechten ließ. Rebekka warf ihm über die Schulter des Mädchens ein verschwörerisches Lächeln zu, während er seine Tasche schulterte. Wenige Tage zuvor hatte sie ihm verraten, dass sie ein weiteres Kind unter dem Herzen trug.
Ein Kind, dem die Möglichkeit genommen wurde, jemals die Sonne aufgehen oder die Sterne funkeln zu sehen.
Habt ihr mir vergeben, dass ich nicht die Gelegenheit bekam, eure Mörder zu töten?
Seufzend strich David über den steinernen Fensterbogen.
Die Missionen, die sie aufgrund von Sayds Visionen durchgeführt hatten, waren beinahe immer erfolgreich verlaufen – wenngleich sich deren wahrer Sinn oftmals erst mittendrin offenbart hatte. Doch er war nun auf eigene Faust unterwegs, getrieben von persönlichen Motiven. Wenn ich nur die Gabe hätte, vorherzusehen, was geschehen wird …
Ein leises Geräusch und eine Bewegung rissen ihn aus seinen Gedanken. Unterhalb des Fensters, in dem er saß, stand eine dunkle Gestalt. Obwohl sie sich neben ein paar Kisten und Tonnen in den Schatten drängte, konnte David sie genau ausmachen. Beobachtet uns jemand?
Offenbar ja, denn sobald er Davids Blick bemerkte, zog sich der Mann zurück.
Was mochte er im Schilde führen? Hatte er es auf dieTasche mit den Beweisstücken abgesehen? Oder war er aus einem anderen Grund hier?
David beschloss, das herauszufinden. Da er seine Dolche immer bei sich trug, schwang er sich kurzerhand aus dem Fenster und kletterte an der Hausfassade hinab.
Als der Beobachter das bemerkte, nahm er die Beine in die Hand. Ein Stück weit floh er über die freie Fläche des Hafens, dann entschied er sich, in die Stadt zurückzulaufen.
David hastete ihm hinterher. Für einen Sterblichen lief der Mann ungewöhnlich schnell. Ein ungutes Gefühl beschlich den Schmied. Hatte Malkuth Spione in dieser Stadt? Vielleicht Halbunsterbliche aus seinem damaligen Heer?
Diese Vermutung schien sich zu bestätigen, als die vermummte Gestalt an einer Hausfassade hinaufkletterte. Die Flucht über die Dächer war eine Spezialität der Assassinen! David kletterte auf eine benachbarte Mauer und nutzte die hervorstehenden Balken eines Handelshauses, um auf das Dach desselbigen zu kommen. Da er etwas höher als der Vermummte stand, konnte er sehen, welchen Weg der Spitzel nahm. Rasch huschte er über das Hausdach, sprang von der Kante ab, landete sicher auf einem etwas tiefer gelegenen Dach und entfernte sich über einen langen Balken zwischen zwei benachbarten Häusern, der von Kletterpflanzen bewachsen war.
Ich hätte die anderen mitnehmen sollen , dachte er, als er sich an dem Dachsims hochzog und dann seinen Lauf fortsetzte. Gemeinsam hätten wir ihn umzingeln können.
Er kletterte auf das Dach, überquerte es sicher und sprang dann mit Schwung auf ein Schindeldach. Kaum hatte er sich aufgerichtet, ertönte ein markerschütterndes Krachen. Die morschen Schindeln unter seinen Füßen brachen ein und er stürzte mit einem Aufschrei in die Tiefe. Etwas Hartes traf ihn am Rücken, dann wurde er nach vorn geschleudert undlandete in einem Haufen Stroh. Gackernd stoben ein paar Hühner durch den Stall.
Stöhnend richtete David sich wieder auf. Im Mondschein, der durch das Loch im Dach drang, erkannte er den Karren, auf dem er gelandet war und der ihn abgeworfen hatte. Dann entsann er sich wieder des Spitzels und stürmte aus dem Gebäude. Mit schmerzenden Knochen erklomm er die nächste Hauswand, doch als er über die Dächer der angrenzenden Häuser blickte, war der Spitzel verschwunden. Ohne sein Ziel zu kennen, hatte es keinen Sinn, nach ihm zu suchen.
Einen Fluch ausstoßend sprang David vom Haus herunter und
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