Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
baden gegangen. Ansonsten wurde eine Schüssel mit Wasser herumgereicht, in der jeder seine morgendliche Waschung vollziehen durfte. Der Erste hatte noch Glück, der Zweite und Dritte ebenfalls, aber mit der Zeit sammelte sich in dem Wasser nicht nur Schmutz, sondern auch Rotz und Spucke, weil sich einige Nase und Mund darin ausspülten. Die Letzten traf es freilich hart.«
Gabriels Augen funkelten vergnügt. »Vielleicht sollten wir diesen Brauch einführen. Jared würde vor Abscheu vergehen.«
»Besser nicht, du weißt, wie schrecklich er sein kann, wenn er schlecht gelaunt ist.«
Gabriel nickte mir zu, dann schienen seine Gedanken wieder in der Zeit zurückzureisen. »Als ich das erste Mal ein arabisches Bad gesehen habe, hielt ich es für blanke Verschwendung, aber mittlerweile fällt es mir schwer, meine damaligen Gedanken nachzuvollziehen.«
»Es ist, wie Sayd eben sagte, wir sind ja nur einen Tag hier.«
»Ich weiß. Ich wundere mich vielmehr, wie sehr man sich mit der Zeit ändert. Meinungen werden verworfen, Ansichten verkehren sich ins Gegenteil.«
»Einige. Und das doch meist zum Besten des Menschen«, entgegnete ich. »Oder würdest du die Zustände, mit denen du aufgewachsen bist, zurückhaben wollen, wenn du eine Wahl hättest?«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Nein, wenn ich ehrlich bin, nicht. Aber dennoch erstaunt es mich immer wieder, wozu man sich entwickeln kann.«
Ich schlang die Arme um ihn und zog ihn an mich. Bei der hier herrschenden Kälte brauchte ich etwas anderes als eine Decke zum Wärmen. Auch wenn wir uns hier nur teilweise unserer Kleidung entledigen konnten und wegen der dünnen Wand leise sein mussten, wollte ich ihm endlich wieder nahe sein.
Als Gabriel meine Absicht erkannte, wollte er protestieren, doch ich legte sanft meine Lippen auf seine und ließ meine Hände unter seine Kleider gleiten. Ich öffnete sein Hemd, dann seine Beinkleider und ließ zu, dass er Gleiches bei mir tat. Leidenschaftlich küssend glitten wir unter die raue Decke, und Haut an Haut vergaßen wir das Ächzen der Balken und das Pfeifen des Windes.In dieser Nacht fand ich im Gegensatz zu Gabriel noch lange keinen Schlaf. Das Heulen des Windes, das Knarren der Balken und die Kälte hielten mich wach, als hätte ich einen Becher starken Cahve getrunken. Außerdem kam mir plötzlich wieder in den Sinn, wie abwesend Sayd dreingeschaut hatte, als wir die rote Stadt verlassen hatten. Obwohl ich wusste, dass Sayd nur dann von seinen Visionen sprach, wenn es sich nicht umgehen ließ, erhob ich mich vorsichtig aus Gabriels Umarmung, brachte meine Kleider in Ordnung und schlich in die Kammer nebenan. Dank des Mondlichts machte ich Sayd recht schnell auf seinem Strohsack aus. Da ich spürte, dass er noch wach war, trat ich zu ihm.
»Du hattest eine Vision, nicht wahr?«, fragte ich und hockte mich neben ihn. In einer Ecke des Raumes fiepten Mäuse, der Wind zerrte an den Fensterläden und ließ einen von ihnen rhythmisch gegen die Wand schlagen. Dazwischen ertönte Jareds leises Schnarchen.
»Was meinst du, Sayyida?«, fragte Sayd und schlug die Augen auf. Ich hatte recht gehabt, er war noch nicht eingeschlafen.
»Als wir aus Garnata fortgeritten sind, warst du einen Moment lang wie erstarrt. Was hast du gesehen, als wir Alhambra hinter uns gelassen haben?«
Ein Lächeln kräuselte kurz Sayds Lippen. »Ich sah, dass der Emir fallen und die Stadt in Christenhand geraten wird.«
Ich erschrak. »Dieser Emir? Aber er ...«
»Nicht er. Nicht heute. Es war eine andere Zeit, vielleicht hundert, zweihundert Jahre entfernt. Ich sah ein christliches Königspaar, eine Königin, hell und blond wie du selbst, der die Schlüssel der Stadt ausgehändigt werden. Ich sah, wie die Araber die Stadt verlassen, wie ich schon damals gesehen habe, dass die Christen Jerusalem verlassen würden.«
»Aber hätten wir das Jareds Freund nicht mitteilen sollen?«
Sayd schüttelte den Kopf, dann strich er mir leicht über die Wange: »Sag selbst, Sayyida, würdest du jemandem glauben, der dir von einer noch weit entfernten Zeit erzählt? Wenn er dir sagen würde, dieses und jenes kann eintreten?«
»Wenn du derjenige wärst – natürlich«, entgegnete ich, doch ich wusste, wie er es meinte. Kein normaler Mensch glaubte einem Wahrsager.
»Diese Vision war kein Hinweis darauf, was ich tun soll, sie zeigte mir lediglich an, was geschehen wird. Auch wenn wir versuchen würden, es zu verhindern, es wird so eintreten. Mit dem
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