Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
müssen, dass es ihm nicht besser erging.
»Die Stadt wirkt, als würde irgendwo Krieg herrschen.« In Davids Stimme lag Unbehagen. Seine Mission würde von einem Krieg erheblich gestört werden, denn sicher würde der Papst in dem Fall kein Interesse daran haben, sich der Templer anzunehmen.
»Kein Krieg«, entgegnete Vincenzo tonlos und deutete dann auf eines der Häuser in der Nachbarschaft.
Unwillkürlich erschauerte David angesichts des roten Kreuzes auf einer der Türen. »Es ist fast wie in der Geschichte von den sieben Plagen, die Moses den Ägyptern prophezeit hatte. Der Todesengel wandelt durch die Straßen, auf der Suche nach den Erstgeborenen, um sie zu töten. Nur jene Häuser, die mit dem Blut eines Opferlamms gekennzeichnet sind, verschont er.«
»Was den Todesengel angeht, hast du nicht ganz unrecht«, entgegnete Vincenzo. »Doch hier sind nicht nur die Erstgeborenen bedroht. Und die rote Farbe ist weder Blut noch wird sie die Menschen vor dem Unheil schützen.« Vincenzoschluckte. »Das ist das Zeichen der Pest. Die Häuser, in denen es Tote gab, werden auf diese Weise gekennzeichnet.«
Als wollte er seine Worte bestätigen, kam der Karren, den sie nur aus der Ferne gehört hatten, die Straße heraufgerollt. Was er transportierte, war zunächst nicht zu erkennen, eine unförmige graue Masse, vielleicht Waren unter einer Plane. Doch als er näher kam, erkannten sie, dass es sich um Menschen handelte. Menschen in einfachen schmutzigen Hemden, übereinandergestapelt wie Brotlaibe, mit schwarzen Beulen auf ihrem Körper. Ihre verzerrten Gesichter ließen den Todeskampf erahnen, der hinter ihnen lag.
»Allah sei ihren Seelen gnädig«, murmelte Belemoth, David und Saul sprachen eine hebräische Schutzformel und Vincenzo bekreuzigte sich. Die Männer, die sich mühten, den Karren zu schieben, achteten nicht darauf. Sie wollten mit ihrer Fracht so schnell wie möglich aus der Stadt kommen.
»Wo bringen sie sie hin?«, erkundigte sich Saul, der die Pest nur vom Hörensagen kannte.
»Weit außerhalb der Stadt«, antwortete Vincenzo. »In ein Massengrab wahrscheinlich, denn die Friedhöfe hier werden schon überquellen.«
»Das Beste wäre, sie zu verbrennen«, sagte Belemoth. »Jedenfalls macht man das in Alexandria so, wenn wieder einmal die Pest ausbricht.«
»Das Verbrennen widerspricht unserem Glauben«, erklärte Vincenzo. »Es heißt, dass am Tag des Jüngsten Gerichts sämtliche Toten auf die Erde kommen und ihre Gebeine suchen, um auferstehen zu können.«
»Seltsame Vorstellung«, murmelte der Hüne. »Ich möchte nicht wissen, wie voll es dann auf der Erde wird. Immerhin gibt es die Menschen nicht erst seit hundert Jahren, und wie viele sind allein schon während der Kreuzzüge gestorben ...«
Vincenzo musste zugeben, dass er sich darüber noch niewirklich Gedanken gemacht hatte. Doch jetzt war nicht der rechte Augenblick. Der Karren verschwand durch das Tor und noch immer ließ sich kein Wächter blicken. Wenn diese Posten überhaupt besetzt waren, dachten doch die Männer vermutlich, dass nur Verrückte die Stadt freiwillig betreten würden. Und sie wussten, dass jene, die sie verließen, es auf dem Karren taten.
»Als ich die Stadt das letzte Mal sah, war ich beinahe noch ein Kind«, sagte Vincenzo beklommen, als sie sich umwandten und der Straße in Richtung Stadtmitte folgten.
»Du siehst immer noch wie eines aus«, gab Saul lachend zurück, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Vergeblich, wie Vincenzos schiefes Lächeln zeigte.
»Ein alter Mann im Körper eines Siebzehnjährigen. Es hat sich einiges geändert, aber leider nicht zum Besten. Die Kreuzzüge haben die Orte ausgeblutet. Einst zogen die Männer aus, um Reichtümer heimzubringen und ihren Familien ein besseres Leben bieten zu können, doch alles hat sich ins Gegenteil verkehrt. Überall herrscht Not, und wo Not ist, kommt die Pest.«
»Dann ist es nur gut, wenn wir dafür gesorgt haben, dass der Wahnsinn der Kreuzzüge endlich aufhört.«
Vincenzo nickte. »Ja, das ist gut. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis sich die Landstriche davon erholt haben. Und glaube mir, Klerus und Adel finden immer einen neuen Grund, um die Menschen in Kriegen zu verheizen.«
»Vielleicht brauchen die Menschen hier aber auch nur die richtige Medizin gegen diese Plage«, bemerkte David. »Ich habe erlebt, wie christliche Ärzte mit ihren Patienten umgehen. Und mir ist aufgefallen, dass die Sauberkeit unbedingt zu wünschen übrig
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