September. Fata Morgana
selbst
erschien
vor den Gärten der Alhambra
die wir noch nicht gesehen haben die draußen in der noch frischen Morgenluft auf uns wartet noch heftig atmend liegen wir beieinander ein winziger silberner Vogel schießt vorbei auf der Suche nach seinem goldenen Baum der kräftige Körper neben mir Luisa buche sechs Monate im Voraus ein Zimmer im zweiten Stock sagt sie eine Hand auf meinen Nabel gelegt (als wäre ich – wie alle Paradiesbewohner – niemals geboren) und du bekommst noch vor dem Frühstück eine waschechte Andalusierin
das Netz weiß schimmernder feiner Linien auf einem gebräunten runden Oberschenkel
wie Lichtspiegelungen in einem Bassin
das Wunder noch immer und noch einmal neu lieben zu können
unser Hotel war Teil des Palastes und einer Moschee und wurde dann zum Kloster San Francisco umgebaut Luisa hat den Hotelprospekt vom Nachttisch geangelt sie ist sehr zufrieden mit der verspäteten Häresie unserer Liebe in einem ehemaligen Kloster zwischen verschnörkelten spanischen Holzmöbeln auf einem ausladenden massiven Bett in dem gewiss schon ein Ferdinand und eine Isabella ihrer katholischen Zeugungspflicht genügten
erst Frühstück dann der Orient das funktioniert hier viel besser als in Frankfurt und erst recht die Fantasie schließ die Augen sie dreht ihren Kopf zu mir so dass wir Stirn an Stirn liegen eine noch glückliche Vergangenheitskopie von mir und diesem großen starken spanischen Mädchen dessen Eltern vor Francos Armee von Sevilla nach Barcelona dann nach Paris und vor der deutschen Wehrmacht von Paris nach Marseille und Lissabon flohen und über London nach New York wir sind uns
wie neu begegnet
in der Neuen Welt und kehren jetzt auf dem Glacis unseres Alters zurück um noch einmal jung zu werden in Europa im morgendlichen Garten und Palast des ehemals maurisch besetzten Teils vielmehr also sag schon wie er aussieht der Orient mit dem du dich eigentlich gar nicht beschäftigen wolltest hätte der alte Goethe dich nicht mit seiner vorletzten Liebe dazu gezwungen
(an Luisas Stirn:) du meinst das Positive die naive Fantasie die Gazelle im Morgenwind die Dschinns die einen Berg überragen eine ganze Stadt schultern um sie woanders aufzustellen und ohnmächtig werden in einer kleinen verstöpselten Flasche wie die Vergangenheit die Kindheit in der wir von ihnen lasen
die absolute Tyrannei sagt Luisa die Macht und ihre Feier in der verschwenderischen Pracht der Paläste immer Sklaven Diener Eunuchen
der Harem (sage ich)
immer verborgene Gemächer Winkel Verstecke Paravents Höhlen Truhen und Strohkörbe Tontöpfe in denen sich Menschen verbergen fliegende Teppiche farbiger Rauch schreckliche Verstümmelungen
riesige Vögel kommen Luisa in den Sinn
die Metamorphose die stets vorhandene Möglichkeit dazu in jedem Augenblick kann jede Figur ein neues Schicksal erhalten (Kaufmannssöhne zu Bettlern Jungfrauen zu Dämoninnen Könige zu Adlern Eseln Hunden) so dass das menschliche Dasein in einem einzigen undurchschaubaren flimmernden Ornament verschmilzt im Mauerwerk
der Zeit
so las ich die Geschichte der Schahrasad
als Kind in Bremen
der nervtötende Friseur sagt Luisa
der einen anderen mit seinem aufdringlichen Geschwätz ruiniert ist so
lebensecht
wie meine Sorge meine erwachte Sorge an die ich mich genauso gut erinnere diese im Grunde noch vollkommen glückliche Bekümmerung die mich beim Frühstück im Patio des Hotels (leis plätschernder Springbrunnen maurischer Säulengang im Licht überwirklich (holografisch) schimmernde Orangenbäume) überfiel sofort entdeckt und enttarnt von Luisa die zwei Söhne aus zwei geschiedenen Ehen hat (Charles der in Boston studiert und mich kritisch taxiert und Francis der vielleicht einmal ein guter Maler wird wenn er es schafft der New Yorker Party-Szene zu entkommen)
sie ist neunzehn mein Lieber sie nimmt die Pille sie hat mehr Verstand als meine beiden Jungs zusammen je haben werden
ich kann ich muss mich auf Sabrina verlassen ich brauche nicht die Augen zu schließen um sie in München Florenz Rom vor mir zu sehen an der Seite ihrer vier Jahre älteren Cousine sie hat eine gewichtlose fast ephemere Art die durch die weiten langärmeligen Hemden die sie oft trägt noch betont wird mit fünfzehn und sechzehn trug sie knappe Röcke oder Shorts und schmückte sich mit Perlenkettchen Ringen Armreifen Flitter wie um sich von ihrer eigenen Jugend zu überzeugen jetzt aber
versteckt sie sich
die Garantie ist die Stärke die du ihr
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