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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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mitgegeben hast
    der Rest
    sagt Luisa
    ist Glück und damals in Granada tröstete ich mich gut damit ich dachte daran wie schön Luisa mit achtzehn und neunzehn gewesen seinmusste und dass sie es überlebt hatte und nun gelassen und strahlend als lebenskluge Fünfzigjährige vor mir saß draußen in den Gärten zwischen den Mauern Ruinen in den Palästen der Alhambra überkam mich ungeachtet der zahllosen Touristen der in die Innenhöfe um die Bassins zwischen die Säulen geschütteten Busladungen der Sklaven ihrer Kameralinsen die aus allen Schriften Bilder machten
    die Ruhe das Schweigen das
    Licht
    in der Myriadengestalt der filigranen Explosion eines zentralen Himmelspunktes an der Decke der Sala de los Abencerrajes göttlicher Spinnweb Bienenwabe der Engel wäre das Universum solcherart überdacht
    der Palast
    bringt dich aus der Welt
    das verschlungene Ornament
    löst deine Seele
    der genau bemessene Wasserlauf im Garten
    gibt dich frei
    das hat er gesucht sagt Luisa eben die exotische Ruhe die entrückte Pracht das (vermeintlich) Unabänderliche im alten Orient während in Europa die Freiheit und ihr Dämon die Throne bersten und die Reiche zittern ließen seit zwanzig Jahren Krieg Hoffnung Niederlage Erschütterung der Riesenstiefel des Kaisers zertritt die betulichen morschen Fürstenhäuser bricht Preußen das Genick die Grande Armée saugt Zehntausende junger Männer auf und zerstört sie in Russland
    Schlacht bei Leipzig und Schlacht bei Waterloo
    die Geschichte spielt jahrzehntelang ihr blutiges Roulette
    wer eben noch des Kaisers Stiefel wienerte soll morgen schon die Hymne auf die Freiheit dichten im Auftrag der wiedererstarkten siechen alten Könige
    glaube an die Unabänderlichkeit von Herrschaft ein gut haltbarer rechthaberischer Glaube der immer wieder seine Triumphe feiert
    der Palast
    erhält sich
    zumindest in diesem Fall ich vermisste Sabrina nicht wirklich dort auf dieser so unzerstörbar scheinenden Insel der Vergangenheit war ich ganz froh nur Teil eines älteren Liebespaares zu sein das den mäanderndenWeg zum Thronsaal nimmt hätte ich hier so viel zu sagen gewusst wie in Frankfurt vor der Gerbermühle oder in Weimar dann hätte ich mir Sabrina vielleicht herbeigewünscht aber die Zeit ihr Vorträge zu halten war schon lange vorbei (eigentlich doch seit ihrem siebten Lebensjahr in dem ich begriff dass ich mich mit ihr über nahezu alles unterhalten konnte dass sich in ihrem Augenaufschlag wie in dem aller Kinder das mächtige universelle Interesse offenbarte der Garant der kompletten Erneuerung der Menschheit durch den Menschen der kleine Buddha der einmal alles wissen wird mit seinem Milliardengehirn)
    Goethe
    hätte statt durch das Heidelberger Schloss durch die Alhambra wandeln sollen in der Zeit seiner hessisch-orientalischen Liebe
    Marianne
    der kleine Blücher wie er sie gern nannte
    zupft die Gitarre
    der GROSSE KAISER spielt auf seiner letzten Insel mit der grauen Brandwoge seiner Toten einmal
    eroberte er Ägypten riss die Pyramiden aus dem Schlaf (232 Transportschiffe 2000 Kanonen 32 000 Soldaten 175 Gelehrte)
    der Orient
    erwachte ächzend unter seiner Gluthitze seinen verstaubten Palmen seinen zerbröckelnden Palästen in seinen abgeschotteten Medresen unter dem Leib des alt gewordenen Türken im
    eigenen Blut (ein Streifschuss vorerst)
    stell dir den alten Goethe vor gebeugt und weißhaarig zahnlos aber wieder schlank sich aufrecht haltend im braunen Mantel
    wie er umgeben von den üblichen Verehrern und seligen Experten oder vielleicht auch nur mit seinem kunstsachverständigen Müller zu zweit also wie wir den Löwenhof betritt (behutsam ein Ginkoblatt am Stil zwischen den Fingern drehend) und sofort die Verhältnisse erläutert zwischen den eleganten wie im Morgenrot erträumten Säulen mit ihrem schwebenden Klöppelwerk
    zwölf Löwen tragen das Brunnenbecken im Zentrum drei (die Trinität die vollkommene Zahl Himmel Hölle Erde) mal vier (die teilbare und doch alles umfassende Anzahl der Windrichtungen der Elemente der Körpersäfte) ergibt die zwölf Tierkreisbilder während die Summe ausTrinität und Welteckenzahl die Siebenzahl der Planeten darstellt entsprechend den sieben Arkaden der beiden Seiten des Myrtenhofes
    genau so mag er gedacht und doziert haben
    oder ganz im Gegenteil alle mathematische Hexerei verwünschend und also nicht-quantitativ sinnierend im Angesicht der Löwen über die vier rechtwinkelig verlaufenden
    Bäche des Paradieses schreitend
    ich

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