Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
Vom Netzwerk:
über dem zerfetzten Grund sehen würde dieser wie unauflösbare Schleier der all die brillanten Helikopter-Tiefblicke auf den zerstörten Komplex das Vordringen in die Katastrophenzone die
    DEVASTATION AREA
    wie mit Geisterhänden trübte genährt von den unterirdischen drei oder fünf Stockwerke tief glühenden kaum löschbaren Kernen unter dem Schutt hochverdichtete verbackene Materialien die das Kerosin in einen zähen Fackelbrand versetzt hatte
    im Morgenlicht fiel mir auf dass ich fast einen Hydranten umgefahren hätte dem Polizisten der mich zum ordnungsgemäßen Parken aufgefordert hatte war das wohl entgangen ich befand mich in Hoboken auf einem öden Gelände zwischen Football-Stadien direkt am Ufer und sah hinüber weshalb ausgerechnet Hoboken dachte ich etliche Male vielleicht weil ich einmal diesen Soldaten-Spruch gehört hatte ( Heaven, Hell or Hoboken ) schließlich gelang es mir nach Manhattan vorzustoßen nach einer verworrenen Autofahrt zur George-Washington-Brücke und dann zu Fuß und mit Stadtbussen der Wagen wurde in der Nähe des City Colleges gestohlen weil ich vergaß ihn abzuschließen und das erleichterte mich und bestärkte meinen Entschluss in Manhattan zu bleiben und es auszuhalten ganz gleich als was es sich herausstellen würde ich fand ein Hotelzimmer von dem aus ich zwei Tage umherirrte und versuchte
    der Zone
    näher zu kommen diesem ungeheuerlichen Rauch- und Qualmgebilde das zwischen den Hochhäusern wucherte wie ein Atompilz der sich nicht vom Grund erheben konnte
    IT’S WAR
    ACT OF WAR
    die Titelblätter am zweiten Tag
    stell dir Hiroshima vor sagte einige Wochen später ein Bekannter (Makroökonom, ein Mann der Distanzen) oder die großen Städtebombardements im Zweiten Weltkrieg
    weshalb fragte ich soll Sabrina auch dort noch sterben aber er meinte dass wir eine Grenze finden mussten für den maßlosen Schmerz etwas das ihn einordnete
    worin nur
    wozu
    ich sah den
    PRÄSIDENTEN (George Bush jr. über den wir an den Universitäten einmal gelacht hatten) und hing ihm plötzlich an den schmalen Lippen wenigstens für einen Tag für jene am Vorabend aufgezeichneten fünf Minuten in ständigen Wiederholungen die er mit scheinbar abnehmender Kraft sprach immer mühsamer während
    auf den gleichen Bildschirmen die Türme immer perfekter immer ausdrucksvoller in immer neuen ausgefeilten Einstellungen niederkrachten
    terrible sadness
    evil axis
    AMERICA UNDER ATTACK
    we will make no difference between
    those
    defend
    a great nation
    we will be open
    for business
    tomorrow
    good night
    es wird Krieg geben und ich will ihre Leichen auf großen Bergen gehäuft sehen sagte ein schmächtiger blonder Mann in einem staubbedeckten vornehmen braunen Anzug an meiner Seite
    wozu fragte ihn eine riesige fette puertoricanische Polizistin zurück
    wozu
    kurz darauf erreichte ich endlich Seymour am Telefon wir standen wenige Meter nebeneinander vor einem der provisorisch am Straßenrand errichteten Vermisstenbüros mit Blick auf eine von Trümmern übersäte Straße die hinter zwei Polizeisperren verschüttet war von einem Bergrutsch aus verbogenem diagonal gestaffelten Schrott bis zum zehnten Stock der gänzlich unberührt erscheinenden Häuser links und rechts es musste eines der World-Trade-Center-Gebäude gewesen sein keiner konnte sich später erklären weshalb (mit Ausnahme des Marriott-Hotels) nur jene sieben zum Welthandelszentrum gehörenden Gebäude zerstört wurden
    wir müssen die Spuren prüfen wir müssen sichergehen
    sagte Seymour und so begannen wir
    auszutauschen was wir wussten ich war im Nachteil ich hatte Sabrina auf Long Island vermutet ich hörte zum ersten Mal von ihrem Plan gemeinsam mit Eric für zwei Wochen nach Kalifornien zu fahren und erfuhr dass Seymour der Letzte war der sie gesehen hatte am Nachmittag in seiner und Amandas Wohnung in der Little Brazil Street wo sie ihren blauen Rucksack hinterließ und noch einen Tee trank bevor sie (womöglich) auf der Upper East Side eine Freundin aufsuchte (bei der sie dann übernachten wollte wie sie zu Seymour noch sagte) deren genauen Namen und deren Adresse wir nie ausfindig machen würden
    alles musste registriert erkundet erforscht werden wir mussten uns durch das widerwärtige schwarze Gewebe der Unbestimmtheiten schneiden und wir setzten alle Telefonate alle verfügbaren Terminpläne alle Sätze und Halbsätze aller verfügbaren Zeugen zusammen aber wir hatten von Anfang an kaum eine Chance ich wollte ich hätte Amandas

Weitere Kostenlose Bücher