September. Fata Morgana
Büro im 94. Stock des Nordturms nie betreten und dieses Bild meiner gehetzt fast verärgert zwischen zwei Computerbildschirmen aufsehenden ehemaligen Frau in einem dunklen knielangen Rock und einer weißen Bluse nie sehen müssen die plötzlich lächelte da ihr einfiel dass sie mich ja gebeten hatte vorbeizukommen und nun wiederum für einen Augenblick vergaß dass wir uns längst nicht mehr liebten sich dann fing und mir die
großartige Aussicht
über die Upper Bay bis nach Staten Island zeigte wofür ich mich wegen der eng benachbarten Streben der Außenfassade nah ans Fenster und an sie heran begeben musste ich sah eine saphirblau leuchtende konturlose Weite im blendenden Gegenlicht präzise in meine Erinnerung gegraben ist aber das matte Schimmern ihrer Perlenkette und der perfekt gestärkten weißen Bluse (irgendein synthetisches oder mit synthetischen Fasern angereichertes Material) ein vornehmer Damastglanz im Kontrast zu ihrer gebräunten von blassen Sommerflecken belebten Haut und ich bin froh darüber dass ich mich zwar an ein mir unbekanntes Parfum erinnere aber nur an dessen Fremdheit nicht an seinen Duft es ist die Gnade der Ungenauigkeit die uns immer weniger gewährt wurde die uns (Seymour und mir) von Anfang an nur in zeitlicher Hinsicht zuteil werden konnte als sich auflösende Wolke um einen von Anfang an genau bestimmten Punkt
8 Uhr 45: Einschlag der Boeing 767 American Airlines Flug 011 auf der Nordseite des Nordturms im 96. Stock
man suchte drei Wochen lang nach Überlebenden bevor die ersten großen Trümmer von der Stelle bewegt wurden jene bizarren scherenklingenähnlich herausragenden Gitter der zerfetzten unteren Fassade vor denen die Leichenspürhunde über die herausgebrochenen Mauerteile und verdrillten Stahlträger geführt wurden von Spezialisten wie es hieß wie viele Spezialisten hat eigentlich der Tod fragtest du dich
(einen für
jeden Menschen)
wir sahen dann Ground Zero aus nächster Nähe immer wieder von der Plattform aus die für die Angehörigen der Opfer errichtet wurde aber
nach drei Wochen schon brauchten wir nicht mehr zu hoffen wir hatten uns durch ein Gewirr von Leerstellen getastet (denn mehr war es nicht nur unsere Vermutungen und Kombinationen und die Umwege die wir gehen mussten jene enervierende peinliche Detektivarbeit die uns den Anspruch auf gute Nachrichten zu gewährleisten schien) bis wir (Seymour) mit einem zeitweilig für Amandas Firma tätigen Anwalt aus Brooklyn sprachen den sie um 8 Uhr 15 angerufen hatte (noch 30 Minuten) vom Büro aus wie sie sagte
bis wir nach Gesprächen mit Angehörigen der zu drei Vierteln ausgelöschten ehemals 22-köpfigen Firma (ich geriet oft an Angehörige von Vermissten ich hätte mich wie ein sadistischer Laufbursche des Todes gefühlt wären mir nicht all diese Menschen mit größter Offenheit und Hilfsbereitschaft entgegengekommen und hätte ich nicht lange erschütternde Telefonate mit Unbekannten in Queens Brooklyn Lower Manhattan geführt) die Kollegin fanden die wegen einer schweren Erkältung zuhause geblieben war an jenem strahlenden Spätsommertag und Amanda auf ihrer Büro-Festnetznummer um 8 Uhr 35 gesprochen hatte
zehn Minuten
reichten um mit den Expressfahrstühlen nach draußen zu gelangen oder nur zehn Stockwerke höher oder tiefer zu kommen in Ebenen von denen aus es doch so viele noch geschafft hatten
die sich aber bald meldeten die man in den umliegenden Kliniken fand jeder Tag senkte uns tiefer in die Nacht dieses Mal gehörten wir nicht zu den Glücklichen deren Freunde Verwandte
Frauen
Kinder
entkommen waren es
gab heftig aufflackernde Hoffnungen die abwegige Idee etwa Sabrina könne sich nachdem sie von Seymours und Amandas Wohnung aufgebrochen war etwas ganz anderes überlegt haben und weggelaufen sein und sich bis zum heutigen Tag verbergen oder gar die Vorstellung sie und Amanda hätten gemeinsam die Gelegenheit genutzt sich von uns (von Seymour von mir nun gut aber weshalb dann auch von Eric) und allem anderen was sie belastete zu befreien und ein neues Leben zu beginnen
aber Amanda hatte ein vollkommen alltägliches Geschäftstelefonat geführt sie war erst eine Dreiviertelstunde im Büro es gab nicht den geringsten Grund weshalb sie es plötzlich hätte verlassen wollen die Hoffnung konnte sich nur noch
auf Sabrina richten bis
Sabrinas Zimmerkollegin Julia mich anrief
Mitte Oktober
sie kam dann eigens nach New York City sie hatte ihr Mobiltelefon wiedergefunden das in den
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