Septemberblut
Messer?« Sie klang nicht überzeugt.
»Ja. Durch die Siegel bist du Teil der Leonhardt.«
»Wie ein Vampir?«
»In etwa. Mehr als das. Deine Stellung richtet sich nach meiner. Du stehst über den meisten jüngeren Unsterblichen. Der Meister, Robert und ich sind die Einzigen, deren Befehl du dich beugen musst.«
Amber sah mich skeptisch an und hielt weiter die Hand auf.
Ich seufzte, zog die Kette von meinem Hals und ließ den Schlüssel in ihre Rechte gleiten.
Sie merkte, dass ich nervös war. »Ich kriege das hin, Julius, ganz bestimmt. Und ich werde es nie, nie wieder zulassen, dass es sich gegen dich wendet, verstanden?«
Um mich abzulenken, ging ich zu meiner Truhe und nahm mein Schwert heraus. Ich würde es bei der Ratsversammlung nicht brauchen, doch jeder erwartete, den Henker mit seiner Waffe zu sehen. Und wenn Gordon unter den Bann fiel, dann würden die Kläger noch heute Abend auf einen Angriff drängen, und das bedeutete Blut, viel Blut.
Ich hörte, wie Amber den Schlüssel im Schloss des Holzkästchens drehte. Jeder Zahn setzte eine andere, winzige Mechanik in Gang.
Esschien als habe die Waffe die ganze Zeit über wie ein kleines, gemeines Tier in der Dunkelheit gewartet, denn sobald Amber den Deckel hob, überrollte mich die Macht des Messers. Erschrocken sog ich die Luft ein, wich einige Schritte zurück und wandte den Blick ab.
Meine Sorge war unbegründet. Amber gelang es tatsächlich fast sofort, die Kontrolle zu gewinnen. Zurück blieb ein leichtes Unwohlsein. Als ich wieder hinsah, war das Messer außer Sicht, und Amber trug einen Ledermantel, den ich vorher noch nicht gesehen hatte. Das feine Material schmiegte sich an ihren Körper und ließ sie größer wirken. Sie sah traumhaft aus.
»Gehen wir«, sagte ich mit Blick auf die Uhr.
Amber schaltete das Licht aus und öffnete die Tür. Dann fiel ihr Blick auf mein Schwert, das für sie wie ein geschwungener schwarzer Holzstock aussehen musste. »Was ist das?«, fragte sie neugierig.
Statt langer Erklärungen ließ ich mit einer schnellen Bewegung die Klinge hervorspringen.
Amber wich erschrocken zur Seite. »Langsam glaube ich, was sie über dich erzählen«, sagte sie unsicher, und das Messer pochte in nervösem Gleichklang mit ihrem Herz.
Ich schob die Klinge wieder in den Schaft zurück und befestigte das Schwert an meinem Gürtel. »Was erzählt man sich denn?«
Sie zögerte und schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte sie recht. Ich wollte die Worte gar nicht aus ihrem Mund hören.
Henker und Mörder gehörten noch zu den harmloseren Begriffen. Verräter nannten sie mich, Schlächter. Kurzerhand schob ich Amber aus dem Zimmer und schloss die Tür ab.
»Warte mal.«
Amber blieb mitten auf der Treppe stehen und drehte sich zumir um. Ich fasste ihr Silberkreuz mit spitzen Fingern und schob es unter ihr Shirt. »Sei vorsichtig damit. Die Alten sehen das nicht gern.«
»Curtis auch?«, fragte sie erstaunt.
»Ja, er besonders«, lächelte ich. »Außerdem gefällst du mir so besser.«
Ich fasste den Kragen ihres Mantels mit beiden Händen, zog sie zu mir und küsste ihren Hals, beide Seiten, direkt über den großen Adern.
Amber stieß mich spielerisch zurück. »Christina hat gesagt, ich soll dir auf die Finger klopfen.«
»Es ist mir egal, was Christina sagt.«
Kapitel35
Wir eilten die Treppe hinauf. Oben wurden wir bereits erwartet.
Amber ging zu ihrer neuen Freundin. Ich folgte ihr unwillig. Brandons dunkle Augen ruhten auf meiner Dienerin, doch ich wusste, dass die Magie seines Blickes sie jetzt nicht mehr so einfach fesseln konnte. Das dritte Siegel schützte vor dem Einfluss jüngerer Vampire.
»Wir würden gerne mal das Messer sehen«, flüsterte Christina neugierig. Amber sah mich fragend an, aber ich schüttelte den Kopf. »Das ist keine Spielerei.«
Christina beließ es dabei und trat neben ihren Geliebten. Besitzergreifend legte Brandon seine große, schlanke Hand auf ihre Schulter.
Sie trug ein breites Türkishalsband, das sich eng an ihren Hals schmiegte. Sicher ein Geschenk von ihm. Brandons Fingerglitten über die Steine und strichen wie selbstverständlich über die zarte Haut darunter. Wenn ich mich konzentrierte, konnte ich unter seinen Fingern sogar den Pulsschlag erkennen.
Brandons Gestik war klar und deutlich: Christina gehörte ihm. Das war in Ordnung, sie trug alle Siegel, sie war sein. Niemand wollte sie ihm streitig machen. Aber Brandon versuchte, mich erneut zu provozieren. Er spielte mit dem
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