Septemberblut
Beine mit dir!«, schrie Tristan und riss an der Kette.
Ich versuchte ruhig zu bleiben und erhob mich. Alles drehte sich. Ich wusste nicht, was Gordon mit meinem Kopf angestellt hatte, aber es wirkte noch nach.
Wir standen vor einem weiten Garten. Eine grelle Lampe meißelte Büsche und Bäume aus Licht.
Gordon ging an mir vorbei den Weg hinauf. Seine Macht streifte mich und ließ mich taumeln. Blinzelnd folgte ich meinen Peinigern zu einer schneeweißen Villa. Alte Bäume strichen mit ihren Ästen über das Dach.
Die Konturen wurden sanfter, je weiter wir uns von der Lichtquelle entfernten, und aus den Schatten schmolzen zahllose Facetten von Grün.
Wir waren auf keinen Fall mehr in Downtown. Bel Air? Malibu vielleicht? Nein, überlegte ich, Malibu riecht nach Meer. Wo waren wir hier? Wie lange war ich bewusstlos gewesen?
Hinter schwankenden Pappeln konnte ich weitere Villen ausmachen. In ihren Fenstern brannte Licht, hier und da flimmerten Fernseher. Rasensprenger zischten. Es roch nach frisch gemähtem Gras.
»Bringt ihn in den Keller, Tristan«, hörte ich Gordon sagen. »Ich kümmere mich später um ihn.«
Während der Meistervampir einige hölzerne Stufen hinaufging und zwischen weißen Säulen im feudalen Eingang des Anwesens verschwand, zerrten mich der grauhaarige Tristan und ein anderer Unsterblicher zum Keller.
Der Zugang zum Untergeschoss lag auf der rechten Seite. Es war eine massive Stahltür, die durch sorgfältig gestutzte Büsche vor neugierigen Blicken verborgen wurde. Die Auswahldieser Villa war kein Zufall, sie musste schon lange im Besitz eines Vampirs sein.
Während sich meine Bewacher um das Schloss kümmerten, machte sich Angst in meinem Herzen breit.
Diesmal, so spürte ich, war das Gefühl gekommen, um zu bleiben.
Ich atmete tief ein und legte den Kopf in den Nacken. Es gab sogar Sterne heute Nacht. Noch einmal versuchte ich alles aufzunehmen, jedes Detail um mich herum festzuhalten. Das Zirpen der Grillen, den wispernden Flug der Fledermäuse und den betörenden Duft der Lilien, die blassblau in den Rabatten leuchteten.
Die Energie der Nacht durchströmte meinen Körper wie ein kühler Wind.
Dann schwang die Tür auf und mein Abschiednehmen war zu Ende.
Der junge Vampir trat vor und betätigte einen Lichtschalter. Halogenlampen blitzen auf und erleuchteten einen langen Gang, der eher einem Flur glich als einem Kellerraum. Tristan verlor keine Zeit. Er riss mich an der Kette vorwärts. Ich stolperte mit einem Fluch auf den Lippen hinterher.
»Zahm wie ein Lämmchen«, höhnte der Jüngere und gab mir einen Stoß in den Rücken. »Hat der Meister dich schon gebrochen? Ist der Henker von LA so schwach?«
Ich biss mir vor Wut auf die Lippen und folgte Tristan gehorsam wie ein Hund an der Leine. Wenn ich mich jetzt provozieren ließ, verspielte ich auch meine letzte Chance auf Flucht.
Ich prägte mir alles genau ein und hielt nach Schlafkammern Ausschau.
Stahltüren durchbrachen in immer gleichen Abständen die weiße Wand. Weder Spinnweben gab es hier noch Staub in den Winkeln. Alles war klinisch rein.
Der junge Vampir ging hinter mir und stieß mich erneut. Ergenoss seine Überlegenheit. Ohne die Fesseln hätte ich ihn mit einem einzigen Schlag töten können. Für ihn brauchte ich nicht einmal ein Messer. Aber jetzt war Julius Lawhead, der gefürchtete Jäger, in seiner Hand, und er würde keine Gelegenheit auslassen, seine Position auszunutzen.
Wir erreichten einen Raum mit massiven Bruchsteinwänden. Niemand hatte sich hier die Mühe gemacht, die Mauern zu verputzen oder gar zu streichen. Der Boden bestand aus gestampftem Lehm und roch nach Erde.
Ich spürte nur wenige Tote. Das hier war kein Friedhof, dieses Haus hatte ein anderes tödliches Geheimnis: Mordopfer, verscharrt im Keller.
Doch was mir wirklich Sorgen bereitete, war die Wand. Dort glänzten Ketten, neu, wie gerade erst angebracht. Niemand musste mir sagen, dass im Eisen Silber war.
Dies war der Folterkeller eines Meistervampirs. An einer anderen Wand stand eine lange Kiste mit massiven Schlössern. Was hätte ich jetzt dafür gegeben, dort hineingesperrt zu werden.
Hunger und Dunkelheit waren nichts gegen das, was mich erwartete. Wenn ich erst einmal in Ketten lag, würde es kein Entkommen mehr geben.
Es musste jetzt passieren, oder ich war verdammt.
Tristan zerrte mich vorwärts, näher an die Ketten heran. Der jüngere Vampir kramte die Schlüssel für die Handschellen hervor.
Tristan betrachtete
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