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Septemberblut

Titel: Septemberblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Pax
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Ihr Gesicht war neutral wie das eines Vampirs nach langer Übung. Ihr Körper sprach eine widersprüchliche Sprache. Sie mochte mich, das war einfach zu erraten. Immer wenn sie glaubte, ich sähe es nicht, blickte sie mich an, und ihr Herzschlag wurde im gleichen Augenblick schneller. Im Kontrast dazu entströmte ihrer Haut noch immer der Duft von Angst.
    Ich überlegte, Amber nach ihren Gefühlen zu fragen, doch das nahende Tageslicht kroch bereits durch die Straßen und färbte die Schatten blau. Es war keine Zeit mehr. In den Baumwipfeln über uns lärmten bereits die Papageien.
    »Wir müssen uns beeilen, bitte«, drängte ich und sah mit Erleichterung die Spitze des Watchorn-Obelisken zwischen Palmwipfeln auftauchen. Das Monument war Teil des Hollywood Forever Cemetery. Morgenröte glänzte auf seiner Spitze.
    Vor dem Seiteneingang blieben wir stehen. Ich kramte den Schlüssel für das Tor aus meiner Hosentasche.
    Amber sah mich ungläubig an. »Hier wohnst du? Das ist kein Scherz?«
    »Ja«, antwortete ich betreten. Plötzlich war es mir peinlich, dieser jungen, modernen Frau gestehen zu müssen, dass wirjegliches Klischee erfüllten und auf Friedhöfen schliefen.
    Amber verschluckte ihre Antwort und sah mich fragend an. »Was passiert jetzt mit mir, was ist mit dem Messer?«
    »Du behältst es natürlich. Es ist dein Erbstück.«
    Ich fasste eine ihrer rotgoldenen Strähnen und drehte das weiche Haar zwischen den Fingern. »Komm heute Abend um acht wieder her, ja? Ich möchte dich gerne wiedersehen.«
    Sie sah sich kurz in der verlassenen, dreckigen Seitenstraße um, schien hin und her gerissen. Das, was Amber heute Nacht mit mir erlebt hatte, sprach deutlich gegen mich.
    »Ich schwöre, dass dir nichts geschehen wird. Sag ja!«
    »Ich weiß nicht, Julius. Ich sollte ablehnen, das wäre das einzig Vernünftige.«
    »Du willst mich doch auch wiedersehen, Amber. Bitte.«
    Nervös sah ich nach Osten. Der Himmel war hell, verdammt hell, und meine Beine wurden schwer wie Blei. Bald würde ich zu schwach sein, um den Weg zu meinem Mausoleum zurückzulegen. Kurzerhand umarmte ich Amber, barg ihr Gesicht in meinen Händen und sah aus nächster Nähe in ihre schönen, grünen Augen. »Bis heute Abend also.«
    Dann hielt mich nichts mehr. Der Morgen machte mir plötzlich schreckliche Angst. Mit zitternden Fingern öffnete ich das Tor und rannte los.
    Die Rasensprenkler zischten wie wütende Schlangen, während mich die rasch aufgehende Sonne zu meinem Mausoleum trieb. Ich sprang mit einem Satz die drei Stufen hinauf und öffnete die alte Eisentür.
    Kühle Luft schlug mir entgegen. Die Treppe in die Gruft war steil. Ich musste mich an den Wänden abstützen, um nicht zu fallen. Der kurze Abstieg erschien mir heute unendlich lang.
    Mitschwindender Kraft schob ich den Sargdeckel zur Seite, stieg hinein und sank tief in die Kissen, dann lähmte die Sonne meine letzten Bewegungen.
    Kapitel10
    Amber saß auf der Terrasse und starrte in die Sonne. In ihrem Schoß lag das Messer.
    Ihre Augen schmerzten, doch sie zwang sich, die Lider weit aufzureißen, bis die Tränen kamen. Nachdem Julius sie einfach hatte stehenlassen, war sie so schnell sie ihre Füße trugen zum Santa Monica Boulevard gerannt. Ein Taxi hatte sie wenig später sicher vor der Haustür abgesetzt.
    Zu Hause. Das war Silverlake.
    Viele mexikanische Einwanderer lebten hier, aber auch Künstler, Musiker und Studenten. Der Sunset Boulevard war in dieser Gegend schmaler, gewundener und gesäumt von kleinen Läden und Cafés.
    Amber konnte sich nicht vorstellen, woanders zu wohnen.
    Ihre Verbundenheit war einer der Gründe, weshalb Amber noch immer bei ihrer Mutter lebte, doch es gab noch zwei weitere, die weitaus praktischerer Natur waren. Das Haus war groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen, und Ambers Gehalt, das sie als Vergolderin verdiente, zu klein, um bei den hohen Mieten in Los Angeles anständig leben zu können.
    Jetzt, am späten Vormittag, brannte die Sonne von einem bleiernen Himmel. Amber hatte Mühe, die Erinnerungen an die vergangene Nacht auf Abstand zu halten. Ihr Leben war zu einem Alptraum mutiert.
    Sierieb ihre schmerzenden Augen. Zwischen ihren Schulterblättern breitete sich wieder dieses Brennen aus, das gemeinsam mit dem Druck in ihrer Magengrube eine Panikattacke ankündigte, die es zu unterdrücken galt. Amber zwang sich, ruhiger zu atmen.
    Julius. Was faszinierte sie nur so an diesem Mann? Sie hatte sich dabei ertappt, einer erneuten

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