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Septemberblut

Titel: Septemberblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Pax
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tot. Sie war dem Vampir dankbar, und gleichzeitig fürchtete sie ihn.
    Julius rieb sich mit den Händen über das Gesicht, fuhr sich durchs Haar und trocknete sich dann mit einem sauberen Stück seines T-Shirts ab. In Armen und Schultern des Mannes bewegten sich Muskeln, die nicht danach aussahen, als seien sie in einem Fitnessstudio antrainiert. Zweifellos war das nicht Julius’ erster Kampf gewesen. Wider jede Vernunft wollte Amber mehr über diesen Fremden wissen.
    Als er sich zu ihr umdrehte, schrak sie dennoch zurück. Sein ebenmäßiges Gesicht, das sie schon bei ihrer ersten Begegnung verzaubert hatte, war kaum noch wiederzuerkennen, das rechte Auge begann zuzuschwellen, über die Wange zog sich ein verkrusteter Riss. Sie unterdrückte den Wunsch, Julius zu berühren und ihm irgendwie Linderung zu verschaffen, und presste stattdessen die Handtasche mit dem Messer an ihren Körper.
    Julius’Augen ruhten kurz auf ihren verkrampften Händen, dann nahm er sein Sakko von einem Autowrack und zog es im Gehen über.
    »Ich muss heim, Amber.«

    Als wir aufbrachen, war die Nacht schon weit fortgeschritten. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass Amber mich begleitete, und sie erfüllte mir diesen Wunsch ohne ein einziges gesprochenes Wort.
    Der Kampf und vor allem das Messer hatten mich geschwächt. Ich lief gebeugt und presste eine Hand auf die Rippen. Die Verletzungen taten weh, doch umbringen würden sie mich nicht. Ich hatte schon viel Schlimmeres erlebt. Ein oder zwei Tage Schlaf, ein Schluck von Ambers Blut, das sie mir nicht geben würde, und ich wäre wieder der Alte.
    Ich erahnte die Fragen, die in Ambers Kopf tobten, doch es sollte ihr überlassen sein, wann sie sie stellte. Mein Blut in ihren Adern machte es nun schwieriger für mich oder einen anderen Vampir, ihre Gedanken zu lesen.
    Dafür hatten wir jetzt das Siegel. Aber wenn ich es benutzte, würde sie es merken, dessen war ich mir sicher.
    »Die Männer«, begann Amber zögernd, »warum wollten sie das Messer?«
    Ich erzählte ihr von Gordon, seinem Hunger nach Macht und neuen Revieren.
    »Und dafür braucht er das Messer?«
    »Ja. Es ist eine starke Waffe, wie du selbst gesehen hast.«
    Ich gab einen Moment nicht acht, stolperte über eine hochstehende Betonplatte und fing meinen Sturz gerade noch an einem der Alleebäume ab. Amber blieb neben mir stehen, die Hand um die Tasche mit dem Messer geklammert,während ich darauf wartete, dass der Schmerz in meinen Rippen wieder nachließ.
    »Und wofür willst du das Messer haben?«
    »Ich nicht. Mein Meister, Curtis Leonhardt, hat mir den Auftrag erteilt, es zu holen.«
    »Dein Meister, Clans. Julius, ich verstehe kein Wort. Ist er dein Boss?«
    »Ja, auch das. Er ist mein Schöpfer und Beschützer, mein Vater, mein Herr. Er befiehlt, ich führe aus.«
    Amber sah mich skeptisch an. War es denn so unglaublich, was ich sagte?
    »Julius, wir leben im 21. Jahrhundert!« Ihre Lippen kräuselten sich spöttisch.
    Der herablassende Gesichtsausdruck, mit dem sie mich ansah, verärgerte mich. »Ich bin kein Mensch, sondern ein Vampir. Du verstehst das nicht«, antwortete ich ein wenig zu scharf.
    »Ja, da hast du recht, das verstehe ich wirklich nicht.«
    In der Hecke neben uns schlug ein Vogel an und mahnte zum Aufbruch. Um alles in der Welt wollte ich es vermeiden, mich mit bloßen Händen in irgendeinem Vorgarten eingraben zu müssen.
    »Wir sollten weitergehen, Amber, der Morgen ist nicht mehr fern.«
    Jeder Schritt tat weh. Der Hüne hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Mein Schädel dröhnte, und wenn ich die Zähne fest aufeinanderbiss, knirschte es in meiner Wange. Doch das war nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die das Messer durch seine bloße Berührung ausgelöst hatte. Sie würden mich sicher noch in meinen Träumen heimsuchen.
    Ich konnte es noch immer spüren, auch wenn es wieder verborgen in Ambers Handtasche lag.
    Ich war schwach und die Sonne kam. Immer wieder stolperteich über die Betonplatten, die die Wurzeln der alten Bäume angehoben hatten.
    Amber hielt erst Abstand zu mir, dann aber, nachdem ich zum zweiten Mal fast gefallen war, stützte sie mich. Ihre Berührung tat unendlich gut. Der Kampf hatte meinen Herzschlag ins Stocken gebracht, doch sie ließ ihn wieder aufleben. Das musste das Siegel sein.
    Wie ein betrunkenes Liebespaar torkelten wir die Gower Street entlang.
    Seit fast zehn Minuten hatte Amber kein Wort mehr gesagt.
    Verstohlen betrachtete ich sie von der Seite.

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