Septemberblut
beruhigen oder ablenken, oder beides. Ich sah Robert, der ins Auto sprang und davonraste. Doch der Weg von Santa Monica hierher war weit. Er würde es nicht rechtzeitig schaffen.
Zu spät! Der Bohrer sang in den höchsten Tönen, dann brach er durch. Frederik ließ das Werkzeug achtlos auf den Steinboden fallen. Die dicke Holztür zitterte unter seinen Tritten, dann riss sie aus den Angeln. Jetzt war er hier, hier drin bei uns!
Steven kreischte in seinem steinernen Gefängnis.
Frederiks Schritte knirschten über den Boden. Er klopfte auf die Deckel der Särge und lachte. »Julius, Julius, ich dachte du wärst alleine. Dabei hast du dir ja eine kleine Freundin gemacht.«
Seine Stimme klang schrill, fast hysterisch.
Ich versuchte Frederiks Geist zu fassen, doch es funktionierte nicht. Ich rutschte ab wie an glattem Metall.
»Vergiss es, Julius. Du darfst gerne zuschauen, aber reagieren darfst du nicht!«
Sobald Frederik das gesagt hatte, sprang ein Teil meines Bewusstseins in seinen Kopf. Für einen Augenblick hoffte ich, die Kontrolle übernehmen zu können. Aber Frederik war kein Mensch mehr. Er hatte mir nur ein kleines Fenster geöffnet, und es reichte gerade aus, um zu sehen, was er sah. Seine Gedanken und Pläne blieben mir verschlossen.
Hilflos musste ich durch die Augen des Untoten mitansehen, wie er mein kleines Reich zerstörte.
Da Frederik die Türen aufgebrochen hatte, fiel Licht auf die schmale Treppe. Es beleuchtete eine Orgie der Zerstörung.
Der Untote zerschmetterte meinen Spiegel mit einem Kerzenleuchter, pinkelte auf meine Bücher und meine Kleidung und schien sich dabei köstlich zu amüsieren. Mein Horrorwich der Hoffnung, dass er sich damit so lange aufhalten würde, bis Robert hier war und ihm eine ordentliche Ladung Schrot in den Kopf jagen konnte.
Meine beiden Truhen waren bald das Einzige, das noch stand. Frederik hatte es sogar geschafft, das Weihwasserbecken von seinem Sockel zu reißen.
»Einen schönen Gruß von Gordon«, rief er und hob den Kerzenständer über den Kopf.
Mit lautem Krachen ging die erste meiner Truhen zu Bruch. Sie war fast so alt gewesen wie ich. Löwenfüße, Ranken und wunderschöne Schnitzereien, alles dahin, doch der Inhalt bedeutete mir noch mehr. Sie enthielt kostbare Erinnerungen aus zwei Jahrhunderten, Briefe, Bücher, alles, was ich in meinem langen Dasein für aufhebenswert erachtet hatte.
Zu sehen, wie Frederik meine Schätze vernichtete, tat mir in der Seele weh. » Du verdammter Irrer! « , fluchte ich.
»Warte ab, es wird noch besser!« Frederik trat den Deckel der anderen Truhe auf und fand meine Waffen. »Oh, was haben wir denn da?« Sein Lachen steigerte sich zu hysterischem Glucksen. Das Schwert, die Armbrust, Messer und einiges andere waren jetzt in seiner Hand.
Meine Furcht wuchs.
Frederik hüpfte um unsere Särge herum wie der tanzende Schnitter auf spätmittelalterlichen Gemälden.
Dann war er bei meinem Sarg. Ich hatte nicht aufgepasst.
Der Untote wuchtete den Marmordeckel zur Seite, und dann sah ich mich selbst durch Frederiks Augen. Ein regloses blasses Wesen, das seine schlanken, fast dürren Hände über der Brust gefaltet hatte. Meine Haare lagen als dunkler Lockenwust auf dem Kopfkissen. Angsthelle Augen waren das einzig Bewegliche in dem toten Gesicht.
Ich spürte einen Abglanz von Frederiks diabolischer Freude,als er mich so wehrlos vor sich liegen sah. Seine Gefühle schürten meine Angst ins Unerträgliche. Er würde mich umbringen, mit dem Vorsatz war er hergekommen, und es gab nichts und niemanden, der ihn davon abbringen konnte.
Ich schrie. Schrie lautlos meine Angst in die Welt, und nur Vampire konnten mich hören. Vampire und Frederik, der Untote.
»Schrei nur, Julius, schrei. Es ist Musik in meinen Ohren!«
Als er sich rittlings auf mich kniete, verstummte ich schlagartig.
»Verdammte Blutsauger, Teufelsbrut! Ihr gehört von der Erde getilgt, vernichtet!«, fauchte er mir entgegen.
Jemand hatte Frederiks Seele zurück in den Körper geholt und dort eingesperrt. Anscheinend verfiel er, aber sein Geist war vorhanden und seine Einstellung zu uns hatte sich nicht geändert.
Das war absurd, gehörte er doch jetzt selber irgendwie zu uns.
» Frederik, du bist eine Leiche, eine wandelnde Leiche! « , sagte ich und versuchte meine Angst zu überspielen. » Du hast die Seite gewechselt, kapierst du das denn nicht? «
Er lachte und zog mich wie ein ungezogenes Kind an den Haaren. Ich hatte mich wohl geirrt,
Weitere Kostenlose Bücher