Septemberblut
getrunken, mit langen Zügen von ihrer seidigen Haut geleckt, die Zunge in die Wunde gepresst, doch ich bezähmte mein Verlangen. Sie hätte es nicht verstanden, niemand hätte es verstanden, außer einem Vampir, einem Monster wie mir.
Amber will das zweite Siegel, redete ich mir ein. Sie will es!
Ich stand auf und hinkte auf der Suche nach einem Gefäß durch den Raum.
»Du kannst wieder alleine stehen«, sagte Amber erstaunt.
»Das verdanke ich dir.« Ich schenkte ihr ein Lächeln blutiger Zähne.
Sie wandte erschrocken die Augen ab.
Ich ging zu der Vitrine, in der Curtis’ antike Pokale standen. Er sammelte sie. Kurzentschlossen wählte ich einen goldenen mit gefassten Bergkristallen.
»Julius, was machst du da?«
Ichschnellte herum und hätte das kostbare Gefäß beinahe fallen lassen.
Mein Blick fiel auf einen kleinen, gravierten Dolch, der anscheinend zu einem der Pokale gehörte, und ich entschied mich um. Wir brauchten keinen Kelch. Blut schmeckte kalt und seelenlos, wenn es nicht frisch war, wenn die Lippen nicht die Haut berührten. Freilich war ich mir nicht sicher, ob Menschen überhaupt einen Unterschied schmecken konnten.
Ich setzte mich zu ihr, öffnete Ambers Hand und legte ihr das Messer wie einen Schatz hinein.
»Was soll ich damit, Julius?«, fragte sie überrascht.
Ich wies auf meinen Hals. »Du trinkst von mir. Schneide hier, aber nicht zu tief.«
Sie riss entsetzt die Augen auf. »Ich kann dich nicht verletzen! Das mache ich nicht.«
Ich nahm ihr das Messer ab und tastete nach der richtigen Stelle.
Im letzten Moment hielt sie meine Hand fest. »Nein, warte, Julius. Diesmal läuft das nicht einfach so. Was bedeutet es wirklich? Diese ganze Geschichte mit den Siegeln und Dienern, meine ich.«
Ich seufzte. Es wäre auch zu einfach gewesen.
»Wie du weißt, dreht sich unsere Welt vor allem um eins«, begann ich. »Blut, Lebensenergie. Wenn wir Bindungen eingehen, bekräftigen wir unsere Schwüre damit, und unsere Magie wohnt und spricht im Blut. Die Siegel sind eine magische Verbindung.«
»Zauberei?«
»Wenn du es so nennen willst. Ich trinke dein Blut und du nimmt das Geschenk von mir, dadurch werden wir enger aneinander gebunden. Es soll wunderschön und erfüllend sein …«
»Moment,und dann bin ich deine Dienerin und muss dir gehorchen?«
Ich legte eine Hand auf Ambers Arm. »Nein, im Gegenteil. Mein Einfluss auf dich wird schwächer und zugleich wachsen wir zusammen. So wurde es mir zumindest gesagt.«
Sie zog die Brauen hoch. »Du hast es noch nie gemacht?«
»Nein, noch nie. Aber ich wünsche es mir sehr.«
»Warum ich?«
»Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, Amber.«
Sie sah mir tief und forschend in die Augen. »Du willst das wirklich, oder?«
»Kannst du das nicht sehen?«
Sie sah es, doch sie war unsicher. »Ich kann mich doch jetzt nicht für den Rest meines Lebens entscheiden, Julius. Wir kennen uns kaum. Was erwartest du denn von mir?«
»Erst das fünfte Siegel ist endgültig, Amber. Erst dann lebst du genauso lange wie ich. Vorher kannst du dich immer noch dagegen entscheiden.«
»Und du würdest es zulassen, dass ich einfach so davongehe und dich vielleicht nie wiedersehen will? Das glaube ich dir nicht. Was passiert dann mit den Siegeln?«
»Ich würde deinen Willen respektieren, das verspreche ich. Ich müsste die Siegel schließen. Das ist möglich, aber ich könnte bis zu deinem Tod keinen anderen Menschen an mich binden. Ich riskiere es. Ich teile meine Lebensenergie gerne mit dir.«
Amber schluckte und schüttelte ungläubig den Kopf. »Und was hast du davon? Irgendwas musst du doch davon haben?«
»Natürlich. Durch dich kann ich wieder den Tag erleben. Du bist mein Tor in die Welt der Sterblichen. Ich teile meine Kraft mit dir, und du gibst mir auch von deiner Lebensenergie. Wir werden beide stärker, lebendiger.«
»Dann ist Diener das falsche Wort.«
»Vielleicht.Aber in der alten Zeit war nur der Leibdiener seinem Herrn derart nah. Natürlich tut der menschliche Diener vieles für den Vampir, was dieser aufgrund seiner Konstitution nicht selber kann.«
Amber nickte und starrte in den Kamin.
Abwartend spielte ich mit dem kleinen Dolch in meiner Hand. Alles, was ich sagen konnte, war gesagt. Jetzt kam es auf Ambers Entscheidung an.
»Weißt du, mit dir zusammen zu sein ist komisch, Julius. Ich fühle mich, als würde ich dich schon mein ganzes Leben lang kennen, und dabei weiß ich fast nichts von dir.« Sie sah mich
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