Septembermann: Lovestory (German Edition)
ich möchte das alles im Original anschauen.“
„Nächstes Jahr kutschieren wir mit unserem Zwillingsw agen durch meine Heimat. Es geht bergauf und bergab, hoffentlich reicht die Puste.“
„War das eine Anspielung auf mein Alter? Ich bin si ebenundvierzig!“
„Ich habe dich frisch und elastisch in Erinnerung“, pr ovoziert Jane absichtlich. Sie braucht die Gewissheit, dass sie trotz ihrer Gewichtszunahme in seinen Augen attraktiv und begehrenswert ist.
Plötzlich ist es wie immer. Peters warme Hand schiebt ihre geschmeidigen Haare zur Seite und seine Zunge schlängelt sich von ihrem Nacken über den Hals auf ihre fla mmenden Lippen. Mit geschlossenen Augen gibt sie seinen fordernden Küssen nach. Erst verspielt. Dann besitzergreifend. Ihr Blut gerät in Aufruhr, als sie sich in ihrer pochenden Leidenschaft ineinander verlieren. Sie haben das Gefühl in ihrer Liebe zu ertrinken. Jane ist sein Glück und Peter ist ihr Schlüssel zum Leben, den sie niemals verlieren will.
*
„ Was schlägst du als goldenen Mittelweg vor? Oma und Opa als Pendler zwischen zwei Welten?“, fragt Ingrid ihren Mann.
„Dieser verdammte Zweite Weltkrieg.
Sechzig Jahre danach trennt er weiterhin Familien. Erst diese Steinmauer mit ihren Schießinseln um unsere kleine, sozialistische Deutschrepublik, jetzt ziehen die Jungen dorthin, wo es Arbeit gibt.“ Horst schlägt mit der flachen Hand auf den Küchentisch.
„Der dreizehnte August neunzehnhunderteinundsechzig ! Wir waren verliebt bis über beide Ohren in jener Nacht, und als wir aufwachten, war nichts mehr wie tags davor. Achtundzwanzig Jahre lang, bis, nie für möglich gehalten, die innerdeutsche Zonengrenze gefallen ist. Diese Bilder haben sich in mein Gedächtnis geprägt. Erinnerst du dich?“
„Wie könnte ich das je vergessen, Inel. Ebenso wenig den dramatischen Herbst vor zehn Jahren, als die friedliche Rev olution die Wende eingeläutet hat.“
Überall gärte es im roten Genossenstaat. Die damalige prekäre Wirtschaftslage, die endlose Latte der Ausreisewilligen nach Westdeutschland und die Belagerungen der Botschaften in den Staaten des Ostblocks, brachten das sozialistische Deutschlandfass zum Überlaufen. Die Bürger hinter dem antifaschistischen Schutzwall gingen auf die Straße und die Montagsdemos wurden legendär. Sie nahmen Prügel, Tritte der Staatssicherheit und willkürliche Verhaftungen in Kauf. Der Stasiboss, diese Kracke, triumphierte anfangs über die Brutalität seiner Stiefellecker. Die Volksrepublik Ungarn und ihre Botschaftsvertreter wurden zum Ventil für alles Weitere.
„Die Bilder, die uns berührt haben, hinter und vor dieser Stacheldrahtmauer, als sich die Me nschen von hüben und drüben in den Armen lagen.“
„ Dann geschah das Unerwartete …“ Ingrid hält inne. Sie rafft den Kragen ihres weichen Morgenmantels an den Hals. Jedes Mal, wenn sie an das historische Ereignis denkt, überkommt sie ein Frösteln. Fünf Tage später war der siebenundsiebzigjährige SED- und Staatschef Honecker gestürzt und seine Fluchtodyssee begann.
Zehn Jahre danach ist diese Aufbruchsstimmung ve rpufft. Existenzängste und drohende Arbeitslosigkeit prägen das Bewusstsein der Menschen, nicht nur im Landesosten, die die Zeit der schwierigsten Veränderungen schafften.
„Nach dem Mauerfall haben sich die Ereignisse übe rstürzt. Die Währungsreform wurde meiner Meinung nach zu früh eingeleitet, dadurch haben wir abrupt die Exportmärkte im Ostblock verloren. Die DDR-Industrie neunzehnhundertneunzig im katastrophalen Zustand, brachte eine Betriebsschließung nach der anderen mit sich und Arbeitslosigkeit war vorprogrammiert.“ Horst seufzt.
Die Bundestagsabgeordneten sollten sich parteiunabhä ngig an einen runden Tisch setzen und im Interesse Deutschlands, dessen lecken Motor wieder zum Brummen bringen. Geht es um ihre Profilierung, halten sie zusammen, oder machen einen Rückzieher aus allen Ämtern. Dafür werden sie mit Übergangsgeldern und horrenden Pensionsansprüchen belohnt. Jüngstes Beispiel: der überraschende Rücktritt des Finanzministers.
Oder werden Manager der Firmen wegen Inkompetenz gefeuert, winkt eine Abfi ndung in Millionenhöhe. Schmeißen die Arbeitnehmer dagegen den Bettel, Job, hin, aus welchem Grund auch immer, tritt für sie erst mal eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld ein. Heißt es in einer Demokratie nicht, gleiche Rechte für alle? Deutschland mausert sich eher zur Willkürherrschaft als zum
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