Septimus Heap 01 - Magyk
Gardewächtern gar nicht zu reden.
Als das Mahl sich dem Ende zuneigte, wandte sich Tante Zelda an Silas und fragte ihn, ob er die Botenratte noch heute Nacht zu Sarah zurückschicken wolle.
Die Ratte machte ein bedenkliches Gesicht. Obwohl sie groß war und, wie sie jedem gern versicherte, »selbst auf sich aufpassen« konnte, war sie nicht gerade darauf erpicht, bei Nacht die Marram-Marschen zu durchqueren. Die Saugnäpfe einer Wassernixe konnten einem Rattenleben ein jähes Ende bereiten, und weder Braunlinge noch Boggarts gehörten zu ihren bevorzugten Gesellschaftern. Die Braunlinge zogen einen nur so zum Spaß hinab in den Schlamm, und ein hungriger Boggart freute sich immer, wenn er seinen Jungen, die in den Augen der Botenratte gefräßige kleine Monster waren, ein Rattenragout kochen konnte.
(Der Boggart war dem Essen natürlich ferngeblieben. Wie immer. Er saß lieber in seinem gemütlichen Schlammloch und verspeiste die von Tante Zelda eigens für ihn bereiteten Brote mit gekochtem Kohl. Er persönlich hatte lange keine Ratten mehr gegessen. Das Fleisch schmeckte ihm nicht besonders, und die kleinen Knochen blieben einem zwischen den Zähnen stecken.)
»Ich habe mir gerade überlegt«, sagte Silas langsam, »dass es eventuell besser wäre, die Ratte erst morgen früh zurückzuschicken. Sie hat einen weiten Weg hinter sich und braucht eine Mütze voll Schlaf.«
Die Ratte strahlte. »Ganz recht, Sir«, sagte sie. »Ein weiser Entschluss. So manche Botschaft geht verloren, weil es an erquickendem Schlaf mangelt. Und an einem guten Abendessen. Und ich darf wohl sagen, dass dieses Essen außergewöhnlich ... interessant war, Madam.« Sie verneigte sich in Tante Zeldas Richtung.
»Es war mir ein Vergnügen«, lächelte Tante Zelda.
»Ist diese Ratte eine Vertrauensratte ?«, fragte der Pfefferstreuer mit Marcias Stimme. Alle zuckten zusammen.
»Du könntest uns vorher warnen, wenn du deine Stimme in der Weltgeschichte herumschickst«, meckerte Silas. »Ich hätte mich fast an meinem Karottenkompott verschluckt.«
»Und, ist sie eine?«, fragte der Pfefferstreuer unbeirrt.
»Sind Sie eine?«, gab Silas die Frage an die Ratte weiter, die den Pfefferstreuer anstarrte und ausnahmsweise einmal sprachlos war. »Sind Sie eine Vertrauensratte, ja oder nein?«
»Ja«, antwortete die Ratte, unschlüssig, ob sie mit Silas oder dem Pfefferstreuer reden sollte. Sie entschied sich für den Pfefferstreuer. »Das bin ich, Miss Pfefferstreuer. Mein Name ist Stanley, und ich bin eine amtlich zugelassene Langstreckenvertrauensratte. Zu Ihren Diensten.«
»Gut. Ich komme runter.«
Marcia kam, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe herunter und durchmaß, ein Buch in der Hand, den Raum. Dabei wischte ihr Seidenumhang über den Fußboden und warf einen Stapel Zaubertrankgläser um. Hinter ihr folgte Jenna, die es nicht erwarten konnte, endlich mit eigenen Augen eine Botenratte zu sehen.
»Es ist so eng hier«, klagte Marcia und wischte sich genervt Tante Zeldas besten mehrfarbigen Brillanttrank vom Umhang. »Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie Sie hier zurechtkommen, Zelda.«
»Ich bin ziemlich gut zurechtgekommen, bevor Sie hier aufgekreuzt sind«, brummte Tante Zelda vor sich hin, während Marcia neben der Ratte Platz nahm. Stanley erbleichte unter seinem braunen Fell. Nicht einmal in seinen kühnsten Träumen hätte er sich vorgestellt, dass er einmal die Außergewöhnliche Zauberin kennen lernen würde. Er verbeugte sich tief, viel zu tief, bekam Übergewicht und fiel in die Reste des Kirsch- und Karottenkompotts.
»Ich möchte, dass du die Ratte auf dem Rückweg begleitest, Silas«, erklärte Marcia.
»Was?«, fragte Silas. »Jetzt?«
»Ich bin nicht befugt, Passagiere mitzunehmen, Euer Gnaden«, sagte Stanley zögernd zu Marcia. »Genau genommen, Euer Gnaden, und ich sage das mit dem größten Respekt...«
»Aus, Rattus Rattus«, bellte Marcia.
Stanley klappte den Mund ein paar Mal lautlos auf und zu, ehe er begriff, dass er kein Wort mehr herausbrachte. Dann nahm er wieder Platz, leckte sich widerwillig das Kirsch- und Karottenkompott von den Pfoten und wartete. Ihm blieb gar nichts anders übrig, als zu warten, denn eine Botenratte darf erst wieder aufbrechen, wenn sie eine Antwort oder einen abschlägigen Bescheid bekommen hat. Und bislang hatte Stanley weder das eine noch das andere erhalten, und so übte er sich, als echter Profi, der er war, in Geduld und gedachte traurig der Worte, die
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