Septimus Heap 01 - Magyk
sind?«, fragte Marcia mit leiser Stimme.
»Doch«, antwortete Jenna unsicher, »aber zu uns kam nie eine. Niemals. Ich dachte, Botenratten kommen nur zu ganz wichtigen Leuten.«
»Nein«, sagte Marcia, »die können zu jedem kommen. Und jeder kann eine losschicken.«
»Vielleicht hat meine Mutter sie geschickt«, sagte Jenna mit hoffnungsvoller Stimme.
»Vielleicht«, erwiderte Marcia. »Vielleicht auch nicht. Wir müssen zuerst wissen, ob es eine Vertrauensratte ist, bevor wir ihr trauen können. Eine Vertrauensratte sagt immer die Wahrheit und verrät nie ein Geheimnis. Außerdem ist sie extrem teuer.«
In dem Fall, dachte Jenna enttäuscht, konnte die Ratte unmöglich von ihrer Mutter geschickt worden sein.
»Abwarten und Tee trinken«, sagte Marcia. »Wir bleiben hier oben, bis wir Gewissheit haben. Es könnte auch eine Spitzelratte sein, die nur auskundschaften will, wo sich die Außergewöhnliche Zauberin mit der Prinzessin versteckt hält.«
Jenna nickte bedächtig. Da war es wieder, das Wort. Prinzessin. Es irritierte sie immer noch. Sie konnte noch immer nicht fassen, dass sie damit gemeint seih sollte. Doch sie blieb still neben Marcia sitzen und sah sich im Dachgeschoss um.
Der Raum war überraschend groß und luftig. Er hatte eine Dachschräge mit einem kleinen Fenster, das einen weiten Ausblick über die Marschen bot. Dicke, stabile Balken stützten das Dach. An den Balken hingen bunte Dinger, die Jenna zunächst für große Flickenzelte hielt, bis sie begriff, dass es sich um Tante Zeldas Kleider handeln musste. Drei Betten standen im Raum. Aus den Flickendecken schloss Jenna, dass sie auf Tante Zeldas Bett saßen, und das zweite, das sich in eine Nische neben der Treppe schmiegte und mit Hundehaaren übersät war, gehörte wahrscheinlich Silas. Das dritte Bett war in der Ecke gegenüber in die Wand eingebaut. Es erinnerte Jenna an ihr Schrankbett zu Hause. Bei dem Anblick bekam sie fürchterliches Heimweh. Sie vermutete, dass Marcia darin schlief, denn daneben lag ihr Buch Wie man die dunklen Kräfte unschädlich macht, eine feine Onyx-Schreibfeder und ein Stapel Pergament bester Qualität, voll geschrieben mit magischen Zeichen und Symbolen.
Marcia folgte ihrem Blick.
»Komm, du darfst meine Feder ausprobieren. Sie wird dir gefallen. Sie schreibt in jeder Farbe, die du dir wünschst – wenn sie gut aufgelegt ist.«
Während Jenna in der Dachkammer Marcias Feder ausprobierte, die etwas bockig war und jeden zweiten Brief in Giftgrün schrieb, versuchte Silas unten, Maxie zu bändigen, der ganz aufgeregt war, seit er die Botenratte entdeckt hatte.
»Nicko«, sagte Silas, als er seinen Sohn kommen sah, der vom Bad in der heißen Quelle noch nicht ganz trocken war. »Halt Maxie fest und pass auf, dass er der Ratte nicht zu nahe kommt.« Nicko hüpfte mit dem Hund aufs Sofa, und ebenso flugs hüpfte Junge 412 herunter.
»Und wo ist jetzt die Ratte?«, fragte Silas.
Eine große braune Ratte saß draußen vor dem Fenster und klopfte an die Scheibe. Tante Zelda öffnete das Fenster. Die Ratte sprang herein und sah sich mit flinken, glänzenden Augen im Zimmer um.
»Quieke, Ratte!«, sagte Silas in der Zaubersprache. Die Ratte sah ihn ungeduldig an. »Quieke, Ratte!«
Die Ratte verschränkte die Pfoten, warf Silas einen vernichtenden Blick zu und wartete.
»Äh ... Verzeihung, es ist Jahre her, dass ich eine Botenratte empfangen habe«, entschuldigte sich Silas. »Ach ja, jetzt hab ich’s ... Sprich, Rattus Rattus.«
»Na also«, seufzte die Ratte. »Wird ja auch Zeit.« Sie richtete sich auf. »Zunächst hätte ich eine Frage. Ist unter den Anwesenden ein gewisser Silas Heap?« Die Ratte sah Silas direkt an. »Ja, das bin ich«, antwortete Silas.
»Hab ich mir gedacht«, sagte die Ratte. »Passt zur Beschreibung.« Sie hüstelte bedeutungsvoll, straffte ihre Gestalt und verschränkte die Pfoten hinter dem Rücken.
»Ich bin hier, um Silas Heap eine Botschaft zu überbringen. Die Botschaft wurde heute Morgen um acht Uhr von einer gewissen Sarah Heap, wohnhaft in Galens Haus, aufgegeben. Hier der genaue Wortlaut:
Lieber Silas, liebe Jenna, mein Häschen, und lieber Nicko, mein Schatz,
in der Hoffnung, dass ihr wohlbehalten angekommen seid, schicke ich die Ratte zu Zelda. Sally hat uns berichtet, dass der Jäger euch verfolgt hat, und ich musste die ganze Nacht an euch denken und konnte kein Auge zutun. Dieser Mann hat einen so fürchterlichen Ruf. Am Morgen wusste ich nicht mehr ein noch
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