Septimus Heap 01 - Magyk
unsichtbar sind. Bist du dir darüber im Klaren?«
Nicko nickte geistesabwesend. Ihm leuchtete nicht ein, was das für eine Rolle spielte.
»Also gut«, sagte Marcia und wandte sich Junge 412 zu, »dann bist du jetzt an der Reihe.«
Junge 412 errötete und schlug die Augen nieder. Jetzt hatte sie ihn doch gefragt. Er wollte den Zauber für sein Leben gern ausprobieren, aber er konnte es nicht leiden, wie alle ihn anglotzten. Bestimmt würde er sich dumm anstellen.
»Du solltest es unbedingt versuchen«, sagte Marcia. »Ich möchte, dass ihr alle es könnt.«
Junge 412 schaute überrascht auf. Meinte sie damit, dass er genauso wichtig war wie die beiden anderen Kinder? Wie die beiden, die dazugehörten?
Tante Zeldas Stimme meldete sich vom anderen Ende des Raums. »Natürlich versucht er es.«
Junge 412 erhob sich schwerfällig. Marcia fischte einen zweiten Charm aus dem Buch und gab ihn ihm. »Jetzt präge ihn dir ein«, forderte sie ihn auf.
Junge 412 hielt den Charm in der Hand. Jenna und Nicko sahen ihn an, neugierig, was er tun würde. »Sprich die Worte«, ermunterte ihn Marcia. Junge 412 sagte nichts, doch der Spruch zu dem Zauber schwirrte ihm durch den Kopf, und er vernahm ein seltsames Summen. Seine Nackenhaare sträubten sich unter dem roten Filzhut. Er spürte, wie der Zauber durch seine Hand prickelte.
»Er ist verschwunden!«, rief Jenna.
Nicko pfiff bewundernd. »Der verliert keine Zeit, was?«
Junge 412 wurde böse. Es bestand kein Grund, sich über ihn lustig zu machen. Und warum sah Marcia ihn so komisch an? Hatte er etwas falsch gemacht?
»Komm jetzt zurück«, sagte Marcia ganz ruhig. Etwas in ihrer Stimme machte ihm Angst. Was war denn los?
Dann schoss ihm ein verblüffender Gedanke durch den Kopf. Ganz vorsichtig stieg er über Berta hinweg, schlüpfte an Jenna vorbei, ohne sie zu berühren, und ging in die Mitte des Zimmers. Niemand sah ihm nach. Alle blickten noch zu der Stelle, wo er eben gestanden hatte.
Freudige Erregung durchfuhr ihn. Er konnte es! Er konnte zaubern! Er konnte sich in Luft auflösen! Niemand konnte ihn sehen. Er war frei!
Er tat aufgeregt einen Hopser. Niemand sah es. Er fuchtelte mit den Armen. Niemand sah es. Er steckte sich die Daumen in die Ohren und wackelte mit den Fingern. Niemand sah es. Dann hüpfte er lautlos zu der Sturmkerze, um sie auszublasen, blieb aber mit dem Fuß am Teppich hängen und schlug der Länge nach hin.
»Da bist du!«, rief Marcia ärgerlich.
Ja, da war er. Er saß auf dem Fußboden, rieb sich das schmerzende Knie und erschien langsam dem staunenden Publikum.
»Du bist echt gut«, sagte Jenna. »Wie hast du das so locker hingekriegt?«
Junge 412 schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung, wie er es hingekriegt hatte. Es war einfach passiert. Aber er fühlte sich großartig.
Marcia reagierte merkwürdig. Eigentlich müsste sie doch mit ihm zufrieden sein, dachte Junge 412, doch das Gegenteil schien der Fall zu sein.
»Du darfst dir den Zauber nicht so schnell einprägen. Das kann gefährlich werden. Wenn du Pech hast, kommst du nicht mehr richtig zurück.«
Was Marcia ihm nicht sagte: Sie hatte noch nie einen Anfänger gesehen, der einen Zauber so schnell beherrschte. Das gab ihr zu denken. Und sie wurde noch nachdenklicher, als Junge 412 ihr den Charm gab. Von seiner Hand sprang ein magischer Funke auf sie über, und sie spürte ein Knistern wie von statischer Elektrizität.
»Nein«, sagte sie und gab ihm den Charm zurück, »behalte ihn. Und du auch, Jenna. Für Anfänger ist es besser, wenn sie den Charm für einen Zauber behalten, den sie vielleicht noch anwenden wollen.«
Junge 412 steckte den Charm in die Hosentasche. Er war verwirrt. Ihm war noch ganz schwindlig vor Aufregung. Er hatte den Zauber perfekt hingekriegt. Aber wieso war Marcia dann sauer? Was hatte er falsch gemacht? Vielleicht hatten die von der Jungarmee ja doch Recht. Vielleicht war die Außergewöhnliche Zauberin tatsächlich verrückt. Das hatten sie bei der Jungarmee jeden Morgen im Sprechchor jedenfalls gerufen, ehe sie ausrückten und vor dem Zaubererturm Posten bezogen, um das Kommen und Gehen seiner vielen Bewohner zu überwachen, besonders das der Außergewöhnlichen Zauberin.
Verrückt wie eine Krake,
Hässlich wie ’ne Ratz,
Dreht sie durch den Fleischwolf,
Als Futter für die Katz!
Doch der Reim brachte Junge 412 nicht mehr zum Lachen. Er fand, dass er überhaupt nicht auf Marcia passte. Ja, je länger er über die Jungarmee
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