Septimus Heap 02 - Flyte
sprichst. Er ist dein Bruder.«
»Ja, wenn es wahr ist, was Zelda, die alte Hexe, in dem schmutzigen Tümpel gesehen hat. Ich glaube nicht, dass es wahr ist.«
»Und sprich gefälligst nicht so über deine Großtante, Simon«, sagte Sarah leise. Langsam wurde sie ungehalten. »Was ich gesehen habe, was wir alle gesehen haben, ist wahr. Das weiß ich. Septimus ist mein Sohn. Und er ist dein Bruder. Es wird Zeit, dass du das akzeptierst, Simon.«
Septimus schlüpfte in den Schatten des Gartentors zurück. Das Gehörte stimmte ihn traurig, aber es überraschte ihn nicht. Er erinnerte sich nur zu gut daran, was Simon am Abend seines Lehrlingsessens in Tante Zeldas Hütte gesagt hatte. Diese Nacht in den Marram-Marschen war die erstaunlichste Nacht seines Lebens gewesen, denn er wurde nicht nur Marcias Lehrling, sondern er erfuhr auch, wer er wirklich war – der siebte Sohn von Sarah und Silas Heap. Doch in den frühen Morgenstunden nach der Feier kam es zwischen Simon und ihren Eltern zu einem furchtbaren Streit. Simon stürzte erbost davon, sprang in ein Kanu und paddelte bei Dunkelheit in die Marschen hinaus, zum Entsetzen ihrer Mutter (und ihres Bruders Nicko, der das Kanu erst kürzlich erworben hatte). Seitdem hatte man Simon nicht mehr gesehen – bis heute.
»Sollten wir nicht zu ihm gehen und hallo sagen, Sep?«, flüsterte Jenna.
Septimus schüttelte zögernd den Kopf.
»Geh du«, forderte er Jenna auf. »Mich will er nicht sehen, glaube ich.«
Er blieb im Schatten und sah ihr nach, wie sie den Garten durchquerte und den Kopfsalat, den Simons Pferd platt getrampelt hatte, umkurvte.
»Hallo, Simon«, grüßte Jenna und lächelte schüchtern.
»Ah«, rief Simon in leicht spöttischem Ton, »ich hatte gehofft, dich hier zu finden, in deinem Palast. Guten Morgen, Eure Majestät.«
»Noch werde ich nicht so angeredet, Simon«, erwiderte Jenna leicht verunsichert. »Erst wenn ich Königin bin.«
»Königin, ah ja –und sind wir dann auch vornehme Leute? Oder wirst du mit unsereins überhaupt noch sprechen, wenn du Königin bist?«
Sarah seufzte. »Hör auf damit, Simon.«
Simon sah seine Mutter an, dann Jenna. Seine Miene verfinsterte sich noch mehr, als er durch die offene Gartentür blickte. Seine grünlich schwarzen Augen glitten über das helle, freundliche Gemäuer des alten Palastes und seine beschaulichen Grünanlagen. Wie sehr unterschied sich das alles von dem chaotischen Zimmer, in dem er zusammen mit seinen fünf jüngeren Brüdern und seiner kleinen Adoptivschwester Jenna aufgewachsen war. Ja, es unterschied sich so sehr, dass er nicht mehr das Gefühl hatte, mit seiner Familie etwas gemeinsam zu haben. Am wenigsten mit Jenna, die ja ohnehin keine Blutsverwandte war. Sie war nichts weiter als ein Kuckucksei, das man ihnen ins Nest gelegt hatte, und wie jeder Kuckuck hatte sie das Nest in Beschlag genommen und zerstört.
»Na schön, Mutter«, sagte Simon schroff. »Ich höre damit auf.«
Sarah lächelte zögerlich. Sie erkannte ihren ältesten Sohn kaum wieder. Der Mann, der da in einem schwarzen Umhang vor ihr stand, kam ihr wie ein Fremder vor. Und nicht wie jemand, den sie sehr gern hatte.
»Na, Schwesterchen«, fuhr Simon etwas zu freundlich fort, »wie wär’s mit einem kleinen Ausritt auf meinem Donner?« Er tätschelte stolz das Pferd.
»Also, ich weiß nicht«, sagte Sarah.
»Warum denn nicht, Mutter? Hast du kein Vertrauen zu mir?«
Sarah schwieg nur eine Sekunde zu lange. »Aber natürlich«, antwortete sie.
»Ich bin nämlich ein guter Reiter, musst du wissen. Im vergangenen Jahr bin ich oft durch die Berge und Täler im Grenzland geritten.«
»Was? Durch die Ödlande ?«, fragte Sarah mit Argwohn in der Stimme. »Was hast du denn dort gemacht?«
»Oh, dies und das, Mutter«, antwortete Simon ausweichend und machte plötzlich einen Schritt auf Jenna zu. Sarah trat vor, wie um ihn aufzuhalten, aber er war schneller. Mit einer einzigen Bewegung hob er Jenna in die Höhe und setzte sie aufs Pferd.
»Wie gefällt dir das?«, fragte er. »Donner ist ein schönes Tier, findest du nicht?«
»Schon ...«, antwortete Jenna unsicher, während der Rappe unter ihr tänzelte, als könnte er es nicht erwarten, loszugaloppieren.
»Wir reiten nur die Allee entlang, einverstanden?«, sagte Simon, und seine Stimme klang fast wie früher. Dann stellte er den Fuß in den Steigbügel und schwang sich hinter Jenna in den Sattel. Sarah wusste nicht, wie ihr geschah. Auf einmal blickte ihr
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