Septimus Heap 02 - Flyte
Drachenboot in Augenschein. Zusammen mit Nicko hatte sie den gebrochenen Flügel behutsam geschient und am Rumpf ruhig gestellt, doch die Verletzungen waren sehr schwer. Eine seltsame grüne Flüssigkeit sickerte aus den Wunden und tropfte ins Wasser. Überhaupt machte der Drache keinen guten Eindruck. Seine Schuppen waren stumpf, seine Augen trüb, Kopf und Schwanz hingen schlaff herab. »Er sieht nicht gut aus«, rief Jannit zu Rupert Gringe hinauf, der mit Nicko auf dem Deck des Drachenbootes stand und die Arbeiten leitete.
Rupert nickte. »Ich weiß auch nicht, was wir tun können«, grunzte er. »Wenn ihr mich fragt, braucht er irgend so einen blöden Hokuspokus.«
Die drei Zauberer, die Jannit von den dreizehn behalten hatte, die Marcia zur Bewachung des Bootes geschickt hatte, äußerten ihr Missfallen. Hokuspokus! Unerhört!
Nicko sagte nichts. Ruperts Ausdrucksweise gefiel ihm nicht, aber wahrscheinlich hatte er Recht. Was konnte ein normaler Bootsbauer für ein lebendes, atmendes Drachenboot schon tun?
»Was ist denn da ...?«, rief Rupert plötzlich, als er weit über sich eine Bewegung bemerkte. »Da ist irgendein Spinner vom Dach gesprungen. Nee, doch nicht... heilige Makrele ... der Kerl fliegt!«
Nicko fuhr der Schreck in die Glieder. Er schaute auf. »Simon«, murmelte er. »Das ist Simon.«
»Was? Dein Simon?«
»Er ist nicht mein Simon«, erwiderte Nicko beleidigt. »Schnell, Rupert, er ist gefährlich. Bringen wir das Drachenboot wieder rein.«
Aber Rupert Gringe blickte wie hypnotisiert zu der schwarzen Gestalt, die hinter der Ringmauer aufgetaucht war und, wie eine flügellahme Krähe flatternd, langsam auf sie zuflog.
»Er ist es! Das ist der verfluchte Simon Heap.« Rupert hob die Faust und brüllte in die Luft: »Komm her, Heap, oder muss ich erst raufkommen und dich holen?«
»Rupert«, zischte Nicko. »Reiz ihn nicht.«
»Ihn reizen? Und ob ich ihn reizen will.« Rupert hob die Stimme in Simons Richtung. »Heap! Hör auf, da oben herumzutänzeln wie ein Backfisch beim Mittwinterfest. Komm runter und kämpfe wie ein Mann.«
»Rupert, nicht«, flehte Nicko. »Bring dich in Sicherheit. Er hat einen Feuerblitz.«
»Na klar, und meine Tante Gerti ist die Königin von Saba. Ah, gut, er kommt. Nur zu, Heap. Nicht so schüchtern. Ha!«
Simon Heap hatte erhebliche Schwierigkeiten mit dem Flug-Charm. Er war bereits in der Luft und in Richtung Zaubererturm unterwegs gewesen, als er bemerkte, dass Hugh Fox überhaupt nichts an dem Charm gemacht hatte. Aus Angst, zu spät zu seiner Verabredung mit DomDaniel zu kommen, hatte er darauf verzichtet, umzukehren und den Obermagieschreiber zu zwingen, den Fehler zu beheben. Was Simon nicht wusste: Hugh Fox hätte den Charm gar nicht reparieren können, denn alle geheimen und verschlüsselten Anleitungen standen in dem Buch Wie man die dunklen Kräfte unschädlich macht.
Simon hatte es gerade so über die Ringmauer geschafft und musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um in der Luft zu bleiben. Dann kam das Drachenboot in Sicht, und diesmal wusste er, dass er es nicht verfehlen würde. Aller guten Dinge sind drei, murmelte er vor sich hin. Oder aller schlechten Dinge sind drei, wenn man zufällig ein mutierendes Zwischending aus Boot und Drache war. Während er über die Werft trudelte, zückte er seinen allerletzten Feuerblitz. In letzter Zeit war sein Bedarf an Feuerblitzen beträchtlich gestiegen, und Merrin hatte sich bei der Herstellung neuer mehr als nutzlos erwiesen – aber das war jetzt egal. Das Boot war eine leichte Beute. Diesmal konnte er es nicht verfehlen. Das würde diesen Armleuchter von Rupert lehren, ihn anzubrüllen. Und das Beste dabei war: Er würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Simon machte den Feuerblitz scharf.
Ein Schrei ertönte, gefolgt von zwei Platschern. Nicko hatte Rupert Gringe in den Burggraben gestoßen und war ihm nachgesprungen. Verärgert über die verpasste Chance, es diesem Rupert Gringe heimzuzahlen, fluchte Simon und schleuderte den Feuerblitz. Unter tosendem Krachen und Grollen zuckte der Feuerblitz durch die Luft. Mit ungeahnter Schnelligkeit hüpften auch die drei Zauberer ins Wasser.
Der Feuerblitz traf das Drachenboot seitlich am Heck, schnitt durch das goldene Holz des Rumpfes wie ein Messer durch Butter und blieb auf dem Grund des Burggrabens stecken, wo er explodierte und eine Wasserfontäne in den Himmel schleuderte. In einer brodelnden Masse aus Blasen und Dampf ging das
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