Septimus Heap 02 - Flyte
überhaupt nichts stand. Keine Spur von den Zaubertränken, Kräutern oder Heilmitteln, den Zauberbüchern oder Drachenboot-Geheimnissen, die sie zu entdecken gehofft hatte. Verzweifelt strich sie mit der Hand über die Bretter, nur für den Fall, dass sie etwas übersehen hatte, aber da war nichts, nur Staub. Dann bemerkte sie mehrere kleine Schubladen, die in der dunklen Mahagonitäfelung unter den Regalen versteckt waren, und schöpfte wieder Hoffnung. Sie griff nach dem kleinen goldenen Knopf der obersten Schublade und zog kräftig daran. Die Schublade glitt sanft heraus, und ihr entströmte der schale Geruch nach alter Pfefferminzschokolade und Staub. Jenna schob die Hand in die Schublade und tastete umher, aber sie war genauso leer wie die Regale. Fieberhaft riss sie eine Schublade nach der anderen auf, aber da war nichts zu finden.
Sie war verzweifelt, als sie an die letzte Schublade kam. Sie wusste, dass dies ihre letzte Chance war, denn sonst konnte sie nirgendwo nachsehen. Beim Aufziehen spürte sie, dass sich in der Schublade etwas bewegte, als habe sie eine Art Hebel betätigt, und gleichzeitig hörte sie hinter sich ein leises Klicken. Die Schranktür fiel zu und Dunkelheit umfing sie.
Sie drückte gegen die Tür, doch sie gab nicht nach. Angst stieg in ihr auf, und sie drückte kräftiger, aber ohne Erfolg – und etwas sagte ihr, dass die Tür abgeschlossen war. Was sollte sie jetzt tun? Sie saß in der Falle. Niemand außer Septimus wusste, wo sie war, und so gern er ihr auch geholfen hätte, er konnte nicht. Sie würde für immer in dieser Dunkelheit...
Da fiel ihr auf, dass es im Schrank nicht mehr ganz so dunkel war wie eben noch, und gleich darauf bemerkte sie einen schmalen Lichtstreifen unter der Tür. Zögernd gab sie der Tür noch einen Stoß, und zu ihrer Freude sprang sie auf.
Sie trat hinaus auf die glatten Fliesen von Tante Zeldas Hütte.
* 48 *
48. Die junge Königin
S e ptimus saß auf dem schmutzigen Treppenabsatz, starrte den bröckelnden Putz an der Wand an und fragte sich, wann Jenna wohl wieder erscheinen würde. Er versuchte sich vorzustellen, was sie im Königinnengemach tat und was sie so lange aufhielt, aber es machte ihm nichts aus zu warten. Er brannte nämlich darauf, sich einen Gegenstand genauer anzusehen, den Jannit aus ihrem Werkzeugkasten gefischt und ihm mit den Worten gegeben hatte: »Sieht so aus, als könntest du das gebrauchen, Septimus.« Er schob die Hand in die Kitteltasche und zog den Flug-Charm heraus.
Der Charm fühlte sich seltsam vertraut an, als habe er ihn schon einmal in der Hand gehalten. Und er war erstaunlich schlicht, wenn man bedachte, welche magischen Kräfte er besaß. Das alte Gold war verkratzt, und die Befiederung verbeult und verbogen. Septimus verspürte ein Kribbeln, als der Pfeil ruhig in seiner Hand lag, und einer plötzlichen Eingebung folgend, fasste er in seinen Lehrlingsgürtel und zog die Silberschwingen hervor, jenen Charm, den Marcia ihm damals geschenkt hatte, als sie ihn fragte, ob er ihr Lehrling werden wolle. Er liebte diesen Charm. Mit seiner Hilfe – und äußerster Konzentration – konnte er etwa drei Meter über dem Boden schweben, aber nicht fliegen. Nicht so, wie Simon geflogen war. Er hatte oft vom Fliegen geträumt und war nicht selten im festen Glauben aufgewacht, es zu können, nur um dann ernüchtert zu werden.
Während er so auf dem kalten Steinboden saß und wartete, streckte er die beiden Hände aus, in der jeweils ein Charm lag. Er fand sie beide schön, jeden auf seine Art. In der Linken spürte er den mächtigen Geist des alten goldenen Pfeils, in der Rechten die zarte Leichtigkeit der silbernen Schwingen. Und wie er sie so betrachtete, fühlte er, wie die Magie, die von beiden ausging, auf seiner Haut prickelte und die Luft um ihn herum erfüllte.
Und dann veränderte, bewegte sich etwas.
Mit einem Mal saßen die Schwingen aufrecht in seiner Hand und klappten auf und zu wie die Flügel eines kleinen Schmetterlings, der sich in der Sonne wärmte. Gebannt sah er zu, wie sie von seiner rechten zu seiner linken Hand hinüberflatterten und sanft auf dem Flug-Charm landeten. Ein magischer Lichtblitz zuckte, und das Silber und Gold der beiden Charms verschmolzen, als die Schwingen wieder ihren angestammten Platz als Befiederung des Flug-Charms einnahmen.
Septimus nahm den vollständigen Charm zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt ihn hoch. Er war heiß, fast zu heiß zum Anfassen. Ein Kribbeln
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