Septimus Heap 02 - Flyte
sagte Septimus, Feuerspei hinter sich herziehend.
»Braver Junge«, lobte Godric und schlief sogleich wieder ein.
In dem Türmchen am Ostflügel des Palastes saß Feuerspei wimmernd am Fuß einer Wendeltreppe und kratzte ärgerlich an der untersten Stufe. Septimus hatte den Drachen an einem Eisenring festgebunden, der praktischerweise an der Wand befestigt war, und ihm befohlen, dort zu warten.
»Ich bin mir sicher, dass es da oben ist«, sagte Jenna und ging, sich ganz fest auf den Schlüssel des Königinnengemachs konzentrierend, vor Septimus die Stufen hinauf. Auf dem kleinen Treppenabsatz in der Spitze des Turms angekommen, stieß sie einen Freudenschrei aus. »Juchhu! He, Sep, sieht so aus, als hätte ich es gefunden.«
»Wo denn?« Septimus sah sie verdutzt an.
Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Sehr witzig«, sagte sie. »Glaubst du nicht, es könnte die goldene Tür da sein, mit den Mustern darauf und dem großen Schlüsselloch in der Mitte. Und mit dem Smaragd darüber – genau wie auf dem Schlüssel?«
»Was für eine goldene Tür?«, fragte Septimus.
Auf einmal verstand Jenna, und ein Schauer der Begeisterung durchfuhr sie. »Kannst du sie etwa nicht sehen?«, flüsterte sie.
»Nein«, antwortete Septimus ziemlich beeindruckt. »Ich sehe nur eine kahle Wand, von der der Putz bröckelt.«
»Hier ist es, Sep. Ich kann es sehen. Wirklich. Ich stecke jetzt den Schlüssel ins Schlüsselloch«, sagte sie zögernd. »Wartest du hier auf mich?«
»Na klar.«
»Das ist verrückt. Soll ich den Schlüssel jetzt probieren?«
»Ja. Nur zu, Jenna. Oh, Augenblick noch ... Hast du gesagt, das Schloss sei mitten in der Tür?«
»Ja, warum?« Jenna sah ihn besorgt an.
»Dann mach dich sprungbereit, wenn du den Schlüssel herumdrehst. Die Tür wird wie eine Zugbrücke herunterfallen ... und dich platt drücken, wenn du stehen bleibst.«
»Tatsächlich? Woher weißt du das?«
»Ach, solche Dinge weiß ich eben«, antwortete er leichthin.
»Kindskopf«, sagte sie liebevoll.
Septimus trat zurück. Es war für ihn höchst eigenartig zuzusehen, wie Jenna den Schlüssel vorschob und wie er halb in der Wand verschwand. Plötzlich sprang sie zur Seite und lächelte zu ihm herüber. Er erwiderte ihr Lächeln. Dann sah er zu, wie sie vortrat und in der massiven Mauer verschwand.
Die goldene Tür schloss sich lautlos hinter ihr, und Jenna stand in einem kleinen und überraschend gemütlichen Zimmer. Ein Feuer brannte im Kamin. Davor stand ein bequemer Sessel, und in dem Sessel saß, den Blick in die Flammen gerichtet, eine junge Frau in einem dunkelroten Seidenkleid mit einem goldenen Umhang über den Schultern. Ihr langes dunkles Haar wurde von einem goldenen Diadem gebändigt, ähnlich dem, das Jenna trug. Bei Jennas Erscheinen sprang die junge Frau auf, und ihre violetten Augen leuchteten vor Erregung. Sie machte einen schnellen Schritt nach vorn, und in ihrem Eifer, zu Jenna zu gelangen, ging sie durch den Sessel hindurch, als sei er überhaupt nicht vorhanden.
Aber Jenna konnte sie nicht sehen, und das war vielleicht auch besser so. Denn als die Königin vor ihrer Tochter stand, die sie zuletzt als neugeborenes Kind gesehen hatte, hätte Jenna den großen Blutfleck, der links auf ihrem Mantel prangte, schwerlich übersehen können – im Unterschied zu dem ausgefransten Kugelloch, das sich in den Falten ihres roten Kleides verbarg.
Die Königin trat zurück, damit ihre Tochter im Gemach umhergehen konnte. Sie beobachtete, wie Jenna verwirrt das lodernde Feuer und den leeren Sessel betrachtete. Wie sie beim Gehen die Arme um sich schlang und leicht zitterte, wie sie mal hierhin, mal dorthin blickte, als hätte sie aus dem Augenwinkel etwas entdeckt, und verzweifelt nach etwas Ausschau hielt.
Die Königin wusste, dass sie ihrer Tochter nicht erscheinen durfte, und so sah sie ihr nur zu und wünschte sich ganz fest, dass sie auch alleine fand, was sie suchte. Aber Jenna hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, denn das Gemach war nicht der erhoffte magische Ort. Es war nichts weiter als ein leerer Salon mit einem Kamin, einem kleinen Tisch, einem Sessel und einem Wandschrank – und da lächelte Jenna, denn es war kein gewöhnlicher alter Wandschrank. Auf der Schranktür stand nämlich zu lesen: UNBESTÄNDIGE TRÄNKE UND SPEZIALGIFTE.
Jenna öffnete den Schrank und ging hinein.
Der Schrank war so leer wie das Gemach. An der hinteren Wand hingen vier kunstvoll geschnitzte Regalbretter, auf denen
Weitere Kostenlose Bücher