Septimus Heap 03 - Physic
Ihrem Alter! Ich werde auf der Stelle Catchpole in den Palast schicken, um Septimus zu holen.«
»Ich könnte mir denken«, bemerkte Alther, »dass Sie Catchpole in dem Fall zuerst wecken müssen, Marcia.«
»Catchpole hat Nachtdienst. Er ist die ganze Nacht auf gewesen.«
»Komisch«, sagte Alther nachdenklich, »dann muss dieser Catchpole die Angewohnheit haben, im wachen Zustand zu schnarchen. Man sollte meinen, dass er das peinlich findet, nicht wahr?« Marcia ließ sich nicht zu einer Antwort herab. Sie stand vom Tisch auf, warf sich den lila Umhang über, stürmte aus der Bibliothek und knallte die Tür hinter sich zu.
Alther schwebte durch die Luke, die auf das goldene Dach der Pyramide führte, und dann zur Spitze hinauf. Es war ein kühler Herbstmorgen, und ein feiner Nieselregen fiel. Dichter Nebel verhüllte den unteren Teil des Zaubererturms. Nur die Dächer der wenigen größeren Häuser durchstießen die weiße Decke, die übrigen waren nicht zu sehen. Als Geist konnte Alther die Kälte nicht spüren, und doch war ihm, als fröstele er in dem Wind, der um die Spitze des Zaubererturms toste. Er raffte den verblassten lila Umhang enger und senkte den Blick auf die Plattform aus getriebenem Silber, welche die Pyramide krönte. Die in das Silber eingravierten Hieroglyphen hatten Alther schon immer fasziniert, doch er hatte sie nie entziffert, wie übrigens auch kein anderer. Vor vielen hundert Jahren war ein Außergewöhnlicher Zauberer auf die Spitze der Pyramide geklettert und hatte die Hieroglyphen mit Bleistift auf ein Blatt Papier durchgerieben. Das Blatt hing seitdem gerahmt in der Bibliothek, und jedes Mal, wenn Alther in seiner Zeit als Außergewöhnlicher Zauberer das alte graue Papier an der Wand betrachtet hatte, war ihm furchtbar schwindlig geworden, denn es erinnerte ihn an jenen Tag, an dem er, damals noch ein junger Lehrling, seinen Meister DomDaniel dort hinauf verfolgt hatte.
Doch heute, als Geist, hatte er keine Angst mehr und stellte, sich probeweise zuerst mit dem einen, dann mit dem anderen Bein auf die Plattform, ehe er sich, Saltos schlagend und Schrauben drehend, in den Abgrund stürzte. Im Fallen versuchte er sich vorzustellen, was ein Mensch empfinden musste, wenn er so in die Tiefe raste, wie es DomDaniel einst getan hatte. Kurz vor der Nebeldecke fing er den Sturzflug ab und nahm Kurs auf den Palast.
Catchpole hatte schlecht geträumt, und es sollte noch schlimmer kommen. Er hasste den Nachtdienst in dem alten Zauberschrank neben der großen Silbertür, die in den Zaubererturm führte. Dabei war es weniger der Geruch nach verrottenden Zaubern, der ihn störte, als vielmehr der Gedanke, er könnte von einem ranghöheren Zauberer einen Befehl erhalten. Catchpole war nur Unterzauberer und kam beruflich nicht so schnell voran, wie er gehofft hatte. Zweimal schon war er durch die Prüfung am Ende der Grundausbildung gerasselt, daher waren alle Zauberer im Turm seine Vorgesetzten. Nachdem er jahrelang Stellvertreter des gefürchteten Jägers gewesen war, ließ er sich ungern sagen, was er zu tun hatte, zumal er anscheinend immer alles falsch machte. Und so rutschte ihm jetzt das Herz in die Hose, als Marcia Overstrand in den alten Zauberschrank platzte und von ihm wissen wollte, was er treibe, da er mit geschlossenen Augen dasaß und so nützlich aussah wie ein totes Schaf. Was würde sie von ihm verlangen? Und was würde sie sagen, wenn er wie üblich alles verkehrt machte? Umso erleichterter war er, als sie ihm lediglich befahl, unverzüglich in den Palast zu eilen und den Lehrling herzubringen. Nun, das war zu schaffen – und er brauchte nicht länger in dem engen Schrank zu schmoren. Außerdem, so dachte er, als er die Marmortreppe in den nebligen Hof des Zaubererturms hinablief, hatte es den Anschein, als ob zur Abwechslung mal dieser Emporkömmling aus der Jungarmee, der sich den Posten des Außergewöhnlichen Lehrlings erschlichen hatte, Ärger bekam. Endlich mal ein Auftrag, der Spaß machte, dachte er mit einem Grinsen.
Catchpole hatte jetzt den großen Zwinger erreicht. Er war aus großen Granitblöcken errichtet, so hoch wie eine kleine Hütte und mindestens doppelt so lang. Direkt unter dem Dachvorsprung waren mehrere kleine Fenster eingelassen, die das Innere mit der dringend benötigten Frischluft versorgten und dem Insassen die Möglichkeit gaben, hinauszuschauen, wenn er wollte. An der Vorderseite war eine breite hölzerne Rampe, die zu einem Scheunentor aus
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