Septimus Heap 04 - Queste
wieder. Ich stieg sie hinunter und gelangte in den sonderbarsten Raum, den man sich vorstellen kann. In einen großen Saal voller Kerzenrauch und voller Menschen, die ganz unterschiedliche Sprachen sprachen und die seltsamsten Kleider trugen. Es war, als sei ich auf ein nie endendes Kostümfest geraten. Die Leute wanderten ziellos durch die Korridore und plauderten oder saßen um große Holzfeuer, die unablässig brannten, ohne dass die Flammen jemals die Scheite verzehrten. Niemand schenkte mir besondere Beachtung, als ich durch das Haus streifte. Ich aß mich in einer großen Küche satt, ich fand ein weiches Bett in einem schönen Zimmer, in dem immer ein Feuer brannte und eine Schale mit süßen Keksen bereitstand, aber ich war einsam und sehnte mich nach zu Hause.
Es gab eine große Tür, die in das Haus führte, aber Besucher waren selten. Manche kamen, um zu bleiben und den rechten Augenblick abzupassen, aber die meisten kamen, um einen geliebten Menschen zu suchen, den sie verloren hatten, obwohl ich mich nicht entsinnen kann, dass sie jemals einen gefunden hätten. Ich war überrascht, dass so wenige von denen, die bereits hier waren, das Foryxhaus wieder verlassen wollten. Ich erinnere mich noch an eine junge Frau, die einen schönen weißen Pelzmantel trug. Sie wollte fort, aber sie hatte Mitleid mit mir und überließ mir ihren Platz auf dem Drachenstuhl in der Schachbretthalle neben der Tür. Sie sagte, ich sei noch ein Kind und sollte so schnell wie möglich fort, denn ich sei noch jung und könnte mich überall eingewöhnen, gleichgültig in welche Zeit ich gelangte. Und sie hatte recht – ich werde ihr ewig dankbar sein. So nahm ich ihren Platz auf dem Stuhl ein. Ich saß zwischen geschnitzten Drachenköpfen, und meine Füße ruhten auf dem Schwanz. In den vielen langen Wochen, die ich dort wartete, brachte sie mir zu essen und leistete mir Gesellschaft. Sie erzählte mir Geschichten von Eispalästen und schneebedeckten Ebenen, von Schlitten und Eisstraßen, bis ich trotz der wärmenden Kerzen, die Tag und Nacht brannten, und trotz meines Wollmantels vor Kälte zitterte und mit den Knien klapperte.
Endlich, eines Morgens, bot sich mir die große Gelegenheit, als es laut an die Tür pochte. Zu meinem Erstaunen sprang ein kleiner Mann aus der Säule neben meinem Sitzplatz und lief zur Tür. Draußen standen ein Mann und eine Frau. Der Türwächter wollte sie nicht einlassen, und als die Tür sich zu schließen begann, nutzte ich die Gelegenheit und rannte hinaus.
Ich hatte, wie mir heute klar ist, unfassbares Glück. Ich weiß nicht, aus welchem Grund meine neuen Eltern ins Foryxhaus gekommen waren. Sie haben es mir nie gesagt. Das nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass wir eine schmale Brücke überquerten, die im Wind schwankte und über einen tiefen Abgrund führte. Mein neuer Papa führte das Pferd am Zügel, und ich ritt, zusammen mit meiner neuen Mama, die hinter mir saß. Später erzählte sie mir, sie hätte vor Angst die Augen geschlossen, doch ich hätte sie vor Aufregung ganz weit aufgemacht. Ein Vollmond stieg aus dem Nebel unter uns herauf, und wir waren so hoch, dass ich das Gefühl hatte, zwischen den Sternen zu fliegen.
Sie brachten mich hierher in die Burg und waren sehr lieb zu mir. Ich lernte, sie zu lieben, wie ich meine Eltern geliebt hatte, doch in meinem Hinterkopf blieb immer die Frage: Was war mit mir geschehen?
Viele Jahre lang begriff ich nicht, dass ich in einer anderen Zeit war, bis ich eine fahrende Märchenerzählerin hörte, die eine Geschichte über das Foryxhaus vortrug. Da wusste ich, dass ihre Geschichte kein Märchen war, sondern die Wahrheit. Ich ging zu ihr und erzählte ihr meine Geschichte. Sie sagte mir, das Foryxhaus sei ein Ort, an dem sich alle Zeiten begegnen. Man könne es nur verlassen, wenn ein anderer komme, und dann müsse man in seine Zeit eintreten. Als ich aus dem Foryxhaus rannte, rannte ich also in die Zeit meiner neuen Eltern.
Ich glaube, ihr habt nur eine Chance, in eure Zeit zurückzukehren: Ihr müsst das Foryxhaus finden und hoffen, dass jemand aus eurer Zeit hinkommt. Als ich noch ein Kind war, sehnte ich mich danach, in meine Zeit zurückzukehren, doch als ich schließlich verstand, was geschehen war, hatte ich schon meinen lieben Ehemann kennengelernt, meine Adoptiveltern waren alt und gebrechlich, und ich wollte nicht mehr zurück. In dieser Zeit lässt es sich gut leben – ihr hättet es viel schlimmer treffen können. Aber
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