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Septimus Heap 04 - Queste

Titel: Septimus Heap 04 - Queste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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sah er im Schein der allerletzten Kerze am Ende des Korridors Ullrs rote Schwanzspitze aufblitzen. »Da!«
    Jenna raffte ihr langes Kleid und sauste mit frischer Kraft den Korridor hinunter, dicht gefolgt von Beetle. Der Korridor folgte dem Grundriss des achteckigen Turms, und jede 135-Grad-Kurve krümmte sich so, dass der Blick auf die nächste verwehrt war. Im Unterschied zum Hauptgebäude war der Turm nicht mit prächtigem Marmor ausgestattet, und ihre Schritte hallten von nackten Steinplatten wider. Jenna und Beetle waren so damit beschäftigt, Ullr einzuholen, dass sie von den kleinen Räumen, die vom Korridor abgingen, keine Notiz nahmen. Jeder wurde nur von einer einzigen Kerze erleuchtet und von schattenhaften Gestalten bewohnt, die bedächtig ihren gewohnten Alltagsbeschäftigungen nachgingen, einige schon seit Tausenden von Jahren.
    Jedes Mal, wenn Jenna und Beetle um eine Kurve bogen, sahen sie gerade noch, wie Ullrs Schwanz hinter der nächsten verschwand – dann hinter der übernächsten und der überübernächsten. Ein paar Bewohner des Turms schauten kurz auf, wenn der Panther vorbeiflitzte und gleich darauf Jenna und Beetle, aber keiner schenkte ihnen große Beachtung.
    Als Jenna abermals um eine Ecke bog, bemerkte sie, dass von Ullrs Schwanz nichts mehr zu sehen war. Sie blieb stehen und verschnaufte. »Ich ... sehe ihn ... nicht mehr«, keuchte sie, als Sekunden später Beetle zu ihr stieß. »Er ist weg.«
    Beetle lehnte sich an die Wand und rang nach Atem. Bis vor wenigen Tagen hatte er eine sitzende Lebensweise gepflegt, und die letzten Minuten hatten ihn einfach geschafft. »Aaaah ...«, war alles, was er als Antwort herausbrachte.
    Plötzlich hallte ein Schrei durch den Korridor, und dann der freudige Ruf: »Ullr! Ullr! Ullr! Ullr!«
    Jenna sah Beetle an, halb aufgeregt, halb erschrocken. »Das ist Snorri«, flüsterte sie.
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Das ist sie. Oh, Beetle ... Snorri ist hier! Dann ... dann kann Nicko nicht weit sein.« Im nächsten Moment kam Jenna ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn Nicko gar nicht hier war – wenn ihm etwas zugestoßen war und nur Snorri hier war? Sie sah Beetle an. »Ich habe Angst«, flüsterte sie. »Ich habe Angst, dass wir den weiten Weg umsonst gemacht haben und dass er gar nicht hier ist.«
    Beetle legte den Arm um sie. »Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden«, sagte er. »Komm, lass uns nachsehen.«
    Für Jenna wurde es der längste Weg, den sie je gegangen war. Sie gingen langsam und spähten in jeden schwach erleuchteten Raum. Im ersten standen zwei Betten und ein einfacher Tisch. Zwei Mädchen saßen an dem Tisch und unterhielten sich leise, eine Flasche Wein zwischen sich. Der zweite Raum erinnerte an eine Kasernenstube. Am Ende eines schmalen Betts mit zwei zusammengelegten Decken saß ein Mann und polierte eine glänzende Rüstung. Im dritten Raum war von Wand zu Wand eine Hängematte gespannt. Das einzige Möbelstück war eine große Truhe. Darauf saß ein alter Mann mit weißem Vollbart und zerrissener Seemannsuniform und strickte. Die Wände im vierten waren mit Büchern gesäumt. Im Halbdunkel erkannte Jenna die Silhouette einer Frau in einem langen, dunklen Kleid, die sich über einen Schreibtisch beugte und schrieb. Der fünfte Raum war leer. Im sechsten saßen drei Spitzhutträger und spielten ein Brettspiel. Im siebten war Snorri Snorrelssen.
    Krampfhaft Beetles Hand haltend, trat Jenna leise ein und blieb im Schatten stehen. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie meinte, Snorri müsste es hören. Alles was sie sah, war Snorris weißblondes Haar, das im Kerzenlicht schimmerte, und Ullrs dunkler Körper, von ihren Armen umschlungen. Von Nicko war keine Spur zu sehen. Und dann ...
    »Jenna?«, fragte eine Stimme aus dem Dunkel neben ihr. »Jenna! Oh , Jenna!« Sie hörte, wie ein Stuhl von einem Tisch weggerückt wurde und zu Boden polterte, spürte, wie ein Wirbelwind sie umfasste, und dann wurde sie hochgehoben und im Kreis herumgewirbelt – als sei sie wieder ein kleines Mädchen.
    Nicko setzte Jenna wieder ab, aber sie ließ ihn nicht los. Beetle sah, wie sie das Gesicht in dem schmutzigen Seemannskittel ihres Bruders vergrub und wie ihre Schultern bebten. Er war sich nicht sicher, ob sie lachte oder weinte. Und er war sich noch immer nicht sicher, als sie wieder aufschaute, mit leuchtenden Augen und dem strahlendsten Lächeln, das er je gesehen hatte.
    »Wir haben ihn gefunden«, lachte sie. »Wir haben ihn gefunden!«

*

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