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Septimus Heap 04 - Queste

Titel: Septimus Heap 04 - Queste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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sehen konnte, weil Geister einem Jungen seines Schlags gewöhnlich nicht erschienen: Der Dankbare Steinbutt war voll von Geistern. So gesteckt voll, dass er auf dem Weg vom Schanktisch zum Kamin unwissentlich ein halbes Dutzend von ihnen passiert hatte, ehe sie zur Seite springen konnten, was großen geisterlichen Unmut erregte.
    Als Merrin sich an den vermeintlich freien Tisch am Kamin setzte, war er in Wirklichkeit von Geistern umringt, denn in dunkler Nacht suchen die Nichtlebenden ebenso gern die Nähe eines lodernden Feuers wie jeder Lebende.
    Merrin am nächsten saßen drei Fischer, von denen einer leicht ungehalten war, denn er hatte eben noch auf dem Platz gesessen, der jetzt von Merrin besetzt war. Vor ungefähr fünfzig Jahren waren die Fischer nach einem Streit darüber, wer den größten Fisch gefangen hatte, direkt vor dem Gasthaus ertrunken, und sie stritten noch immer. Merrin gegenüber saß eine sehr verblasste ehemalige Kesselflickerin, die ununterbrochen ihre Pennys zählte. Sie war hochbetagt an eben diesem Tisch gestorben und begriff bis heute nicht, dass sie tot war. Im Halbkreis um den Kamin standen sechs Rittersleute, die in einer längst vergessenen Schlacht um die Einwegbrücke gefallen waren. Sie plauderten mit zwei Melkerinnen, die sich erst vor ein paar Jahren auf dem Nachhauseweg vom Markt in einem Schneesturm verirrt hatten und in der Nacht erfroren waren. Auf der Tischkante saß eine Prinzessin, die einst von zu Hause fortgelaufen war, um sich mit ihrem Schatz zu treffen. Sie war unterwegs in ein Gewitter geraten, hatte sich unter einen Baum gestellt und war vom Blitz erschlagen worden. Sie betrachtete Merrin mit einem traurigen Blick, bis er unbehaglich auf seinem Stuhl herumrutschte. Sie fand, dass er ihrem vermissten Liebsten ein wenig ähnlich sah – aber nur ein wenig.
    Es war also nicht verwunderlich, dass im Dankbaren Steinbutt eine ganz besondere Atmosphäre herrschte, und dies war auch der Grund, warum hier gewöhnlich nur Leute einkehrten, die zu spät dran waren, um noch in die Burg eingelassen zu werden, und ein Bett für die Nacht brauchten, oder Nordhändler, denen die meisten Wirte der Burg den Besuch ihrer Schenken verweigerten. Und der erste Geist, den Merrin in seinem Leben zu Gesicht bekam – freilich ohne sich dessen bewusst zu sein –, war der Geist eines solchen Nordhändlers.
    Weitab von der Gruppe am Kamin, am anderen Ende der Gaststube, saß der Geist des Nordhändlers Olaf Snorrelssen, der einst auf der Einwegbrücke eingeschlafen und nie wieder aufgewacht war. Olaf beobachtete Merrin aus seiner schattigen Ecke. Der Junge hatte etwas an sich, das seine Aufmerksamkeit erregte – er war ein Reisender wie er, ein Fremder in der Fremde, wie er selbst häufig einer gewesen war. In einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Verbundenheit beschloss Olaf, zum ersten Mal einem Lebenden zu erscheinen.
    Auf dem Weg zu Merrins Tisch blickte er in einen der dunklen Spiegel, die an den Wänden des Dankbaren Steinbutt hingen. Zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren sah er sich selbst – oder vielmehr Teile von sich. Es war ein Schock. Er blieb vor dem Spiegel stehen und starrte hinein. Merkwürdig: Die Umrisse seiner Gestalt waren alle da, doch in der Mitte klaffte ein hässliches Loch, durch das er hindurchsehen konnte. Und auch die obere Hälfte seines Kopfes war nicht richtig sichtbar. Er konzentrierte sich mit aller Macht, und langsam erschien der restliche Kopf mit dem alten Lederstirnband und dem schütteren blonden Haar. Du liebe Zeit, war sein Haar tatsächlich schon so licht? Er fasste sich an den Kopf, aber da war nichts. Eine tiefe Niedergeschlagenheit befiel ihn. Einen Moment lang hatte er ganz vergessen, dass er ein Geist war. Er musste an einen Rat denken, den ihm andere Geister gegeben hatten. Er solle auf der Hut sein, wenn er zum ersten Mal einem Lebenden erscheine, hatten sie ihn gewarnt. Das rufe alte Erinnerungen wach, und die Lebenden kämen einem so rastlos und so laut vor, dass man sich in ihrer Gegenwart mehr als Geist fühle als jemals zuvor. Olaf holte tief Luft und nahm seinen Mut zusammen. Sein übriger Oberkörper wurde sichtbar. Er hatte einen Bauchansatz. Er konnte sich nicht entsinnen, dass er zu seinen Lebzeiten seinem Äußeren jemals so große Beachtung geschenkt hätte.
    Als Olaf an Merrins Tisch anlangte, sah er im schummrigen Wirtshauslicht so stofflich aus wie ein Lebender. Merrin schaute zu ihm auf, und Olaf fühlte Nervosität in sich

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