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Septimus Heap 04 - Queste

Titel: Septimus Heap 04 - Queste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Sage
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aufsteigen – nie zuvor hatte ihn ein Lebender als Geist gesehen.
    »Ich grüße dich«, waren seit fünfzehn Jahren die ersten Worte, die er an einen Lebenden richtete.
    Der Junge erwiderte den Gruß nicht. Unschlüssig, was er tun oder sagen sollte, nahm Olaf ihm gegenüber Platz. Und übersah dabei den verblassten Geist der Kesselflickerin. Kreischend fuhr sie in die Höhe und ließ ihre Pennys zu Boden fallen.
    »Oh! Verzeihung, Madam«, entschuldigte sich Olaf und kroch im nächsten Moment auf dem Fußboden herum, um die Pennys einzusammeln, was unmöglich war, da sie einem anderen Geist gehörten, und bei den übrigen noch mehr Anstoß erregte. Die Kesselflickerin drängte ihn zur Seite. Sie las ihre Pennys selber auf und zog sich dann schimpfend in eine dunkle Ecke zurück, in der sie die nächsten hundert Jahre damit zubrachte, ihre Pennys zu zählen, um sich zu vergewissern, dass noch alle da waren.
    »Nennen Sie mich nicht Madam, ich bin kein Mädchen!«, raunzte Merrin und sah Olaf abweisend an.
    Warum hatte der Fremde ihn angesprochen und sich dann plötzlich zu Boden geworfen? Irgendetwas stimmte mit ihm nicht, doch er kam nicht dahinter, was.
    »Wie?«, fragte Olaf verwirrt. »Aber nein, natürlich bist du kein Mädchen.« Und in seinem melodischen Nordländerakzent setzte er leise hinzu: »Aber du bist fremd hier, habe ich recht?«
    »Nein«, erwiderte Merrin barsch. »Ich bin in der Burg geboren. Ich ... ich komme nach Hause.«
    »Ach, nach Hause«, seufzte Olaf wehmütig. »Dann kannst du dich glücklich schätzen. So mancher kann nie mehr nach Hause zurückkehren.«
    Merrin sah sich den Mann genauer an. Sein wettergegerbtes Gesicht hatte gütige Züge, und seine blassblauen Augen blickten freundlich. Merrin wurde etwas zugänglicher. Es war das erste Mal, dass ihn jemand angesprochen hatte, weil er sich mit ihm unterhalten wollte, und das erste Mal, dass ihn jemand wie einen vollwertigen Menschen behandelte. Das war ein gutes Gefühl. Merrin wagte ein Lächeln.
    Durch das Lächeln ermutigt, fragte Olaf weiter: »Hast du hier Verwandte?«
    »Nein«, antwortete Merrin, der kurzerhand entschieden hatte, dass eine etwaige Mutter in Port nicht zählte. »Ich ... ich habe überhaupt keine Verwandten.«
    Olaf stammte aus einer sehr großen Familie und konnte sich gar nicht vorstellen, wie das sein musste. »Keine Verwandten? Nicht einen einzigen?«
    »Nein.«
    »Wo willst du denn wohnen? Was willst du tun?«
    Merrin zuckte mit den Schultern. Dieselbe Frage hatte er sich auch schon gestellt, aber in den hintersten Winkel seines Gehirns verbannt.
    Olaf fasste einen Entschluss. Irgendwo in den Landen der Langen Nächte hatte er ein Kind, das er niemals gesehen hatte und auch niemals sehen würde. Aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht verstand, war er überzeugt, dass es ein Mädchen war. Sie musste ungefähr im Alter dieses Jungen sein. Wenn er schon für sein eigenes Kind nichts tun konnte, so wollte er doch wenigstens einem anderen helfen. »Morgen«, erbot er sich, »bringe ich dich in die Burg und zeige dir ein gutes Haus, in dem du wohnen kannst. Übernachtest du heute hier?«
    Merrin nickte.
    »Und heute bist du wohl weit gereist, nehme ich an?« Olaf kam nun in Fahrt und fand Vergnügen an dem Gespräch.
    »Den ganzen Weg von den Ödlanden hierher. Ich möchte nie wieder zurück.«
    »Du warst dort nicht bei Verwandten?«, fragte Olaf.
    »Nein! Die haben mich wie einen Dienstboten behandelt. Oder noch schlimmer. Bei der ersten Gelegenheit bin ich ausgebüchst.«
    Olaf nickte mitfühlend. Der Junge, so dachte er bei sich, hatte ein schweres Leben gehabt. Es wurde Zeit, dass ihm jemand eine helfende Hand reichte.
    Ermutigt durch Olafs Zuwendung, begann Merrin, seine Geschichte zu erzählen. »Ich bin früher schon mal weggelaufen, aber da bin ich in den Marschen an eine verrückte alte Hexe geraten, bei der ich Aal und Kohlsandwichs essen musste.«
    »Das ist nicht schön«, murmelte Olaf.
    »Es war eklig. Um ihr zu entkommen, habe ich eine Stelle bei Simon Heap angenommen, aber das war noch schlimmer. Ich landete in demselben scheußlichen Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Ich konnte es nicht fassen. Bis vor ein paar Wochen dachte ich, ich müsste für immer beim alten Heap und diesem Sack voller Knochen bleiben.«
    »Einem Sack voller Knochen?«, fragte Olaf, der glaubte, sich verhört zu haben.
    »Ja. Simons alter Meister – und meiner. DomDaniel. Er hat in einem Sack gelebt, bis ich ihn

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